§ 196. Eigentumserwerb an Grundstücken. Auflassung. 111
Siehe das Beispiel oben S. 15 Abs. 2 zu I, 2. Eine Wiederholung der Eintragung
ist in diesem Fall nicht nötig; nur das Datum der ersten Eintragung ist zu berichtigen
(L. KerOrdn. 45, 22).
3. Maßgebender Zeitpunkt für den Übergang des Eigentums auf den
Erwerber ist der Augenblick, in dem sowohl Auflassung als Eintragung ab-
geschlossen vorliegen, also regelmäßig der Augenblick der Eintragung.
Siehe das Beispiel oben S. 15 Abs. 2 zu I.
II. 1. Die Auflassung ist ein Formalakt.
a) Veräußerer und Erwerber müssen ihre Erklärungen vor dem zu-
ständigen Grundbuchamt mündlich abgeben; die Einreichung schriftlicher
Parteierklärungen mit beglaubigter Unterschrift, die sonst im Grundbuchverkehr
eine so große Rolle spielt, ist ausgeschlossen (s. 925 1.
b) Die Parteien müssen zwecks Abgabe ihrer Erklärungen vor dem
Grundbuchamt gleichzeitig erscheinen (925 1).
c) Das Grundbuchamt mußf die beiderseitigen Erklärungen protokollieren.
Beispiele. I. A. in Oldenburg hat die Wiese Parzelle 212 der Flur Neurode in der
Grasschaft Glatz geerbt und sofort an B., der Gepäckträger am Bahnhof Neurode ist, ver-
kauft; nun gilt es, die Wiese an B. aufzulassen. Hier muß A., wenn er nicht in Person
nach Neurode reisen will, einen Vertreter an das dortige Grundbuchamt entsenden. Als
solchen wählt er einen andern Neuroder Gepäckträger C., den B. ihm als zuverlässig emp-
sohlen, aus und versieht ihn mit Auflassungsvollmacht; ganz einfach ist das freilich nicht; denn
A. muß sich mit der Vollmacht zu einem Oldenburger Notar begeben, um seine Unterschrift
darunter öffentlich beglaubigen zu lassen; auch hat A. Sorge, daß C. trotz der Empfehlung seitens
des B. am Ende doch eine Dummheit macht: infolgedessen schreibt er in die Vollmacht hinein,
daß sie sich nur auf die Worte „Namens des A. lasse ich die Parzelle 212 der Flur Neu-
rode an B. auf und beantrage, ihn im Grundbuch als Eigentümer einzutragen“ erstrecke,
und beaustragt den C., diese Formel bei der Auflassung wörtlich ohne jeden Zusatz abzulesen.
Nunmehr kann A. hoffen, die Fährlichkeiten des Auflassungsformalismus glücklich über-
wunden zu haben. Freilich kann man fragen, warum das Gesetz so großen Wert darauf
legt, daß der Gepäckträger C. jene weihevollen Worte der Vollmacht abliest, statt ihre
Lektüre dem Grundbuchrichter zu überlassen, und wozu das Erscheinen des Gepäckträgers
überhaupt nötig war, da es doch viel einfacher und sicherer sein würde, A. hätte die von
dem Notar öffentlich beglaubigte Auflassungssormel dem Grundbuchamt mit der Post zu-
geschickt. Dachte sich der Gesetzgeber, daß es feierlicher sein würde, wenn der Gepäckträger
eine Ansprache vor Gericht hielt, als wenn der Briefträger dem Gericht nur ein Schriftstück
ablieferte? Oder wollte er in Erwägung dessen, daß jedes Erscheinen vor Gericht mit Zeit-
verlust und Unbequemlichkeiten verbunden ist, den Grundstückseigentümern das Veräußern
ihrer Grundstücke verleiden und damit die Seßhaftigkeit der Bevölkerung fördern? Wie es
scheint, wird man einen wirklich triftigen Grund, der den Auflassungsformalismus in der
vom Gesetz beliebten Art rechtfertigte, schwerlich entdecken können; auch das, was ich selbst in
den früheren Auflagen dieses Buchs" dafür angeführt habe, ist wohl nicht stichhaltig. II. Der-
selbe Fall wie zu 1; nur lehnt der Bahnhofsvorstand in Neurode es ab, den beiden Gepäck-
trügern B. und C. zur gleichen Zeit Urlaub zu geben. Hier kann A. sein Eigentum an der
Viese in der von ihm erdachten Art nicht los werden, sondern muß nochmals zu seinem
Oldenburger Notar, um zum Ablesen der Auflassungsformel einen neuen Bevollmächtigten
zu bestellen. Am klügsten ist es, wenn er die Vollmacht gerade seinem Käufer B. erteilt, der
3) Siehe oben Bd. 1 S. 2302; abw. Planck-Strecker Anm. 2a zu 925; Crome 3
S. 305 ½2.
4) Bd. 2 S. 106.