8 196. Die Auflassung ein abstraktes Rechtsgeschäft. 113
b) Daß die Auflassung ein abstraktes Zuwendungsgeschäft ist, wird be-
sonders wichtig, sobald sie auf Grund eines vorher oder gleichzeitig abge-
schlossenen obligatorischen Rechtsgeschäfts vorgenommen wird: die Ungültigkeit
bieses Rechtsgeschäfts zieht die Ungültigkeit der Auflassung nicht nach sich, ver-
hindert also den Eigentumsübergang auf den Erwerber nicht, sondern ver-
pflichtet den Erwerber nur persönlich zur Herausgabe seiner Bereicherung oder
zu Schadensersatz.
Beispiel. A. erlangt widerrechtlich durch Drohungen, daß ihm B.s Bevollmächtigter
C. ein Grundstück des B. aufläßt. I. A. hat den B. durch Drohungen bestimmt, ihm das
Grundstück billig zu verkaufen und dem C. Vollmacht zur Auflassung zu geben: C. hat
darauf die Auflassung vorgenommen, ohne etwas von A.s Drohungen zu wissen. Hier ist
sowohl der Kauf zwischen A. und B. als auch die von B. an C. gegebene Vollmacht und
beshalb schließlich auch die Auflassung zwischen C. und A. anfechtbar. II. Gleicher Fall;
nur hatie C. bereits früher Generalvollmacht von B. empfangen; demgemäß gibt B. infolge
der Drohungen A.3 dem C. keine neue Vollmacht, sondern weist ihn an, die Auflassung kraft
der alten Vollmacht vorzunehmen. Hier ist nur der Kauf zwischen A. und B. und der Auf-
lassungsauftrag von B. an C. anfechtbar; dagegen ist die Vollmacht des B. an C. und des-
halb auch die Auflassung zwischen C. und A. gültig. III. Gleicher Fall wie zu II; nur
hat A. seine Drohungen nicht gegen B., sondern gegen C. gerichtet, weil dieser mit B. in
Streit geraten war und deshalb den ihm von B. gegebenen Auflassungsauftrag nicht aus-
führen wollte. Hier ist der Kauf, die Vollmacht, der Auflassungsauftrag gültig; die Auf-
lassung selbst ist dagegen anfechtbar.
Auch dann, wenn eine Auflassung auf Grund eines unsittlichen Geschäfts erfolgt, ist
sie nicht ungültig; denn die Auflassung als solche, abstrakt wie sie ist, kann niemals un-
sittlich sein. Dagegen ist es denkbar, daß sie wegen Wuchers nichtig ist; denn 138 II erklärt
nicht bloß das Versprechen, sondern auch die tatsächliche „Gewährung“ wucherischer Vermögens-
vorteile für unwirksam.“
e) Die Natur der Auflassung als einer abstrakten Zuwendung schließt
nicht aus, daß die Parteien bei der Auflassungsverhandlung das von ihnen
abgeschlossene obligatorische Rechtsgeschäft nachrichtlich erwähnen und die
darüber errichtete Vertragsurkunde zu den Grundakten einreichen (Rr Ordn. 9 II);
denn hierdurch allein wird die Auflassung von dem obligatorischen Rechtsge-
schäft noch nicht abhängig gemacht.
Im Gegenteil: landesgesetzlich kann den Parteien die Vorlegung der über das Rechts-
geschäft etwa errichteten Vertragsurkunde sogar zur Pflicht gemacht werden, derart, daß das
Grundbuchamt die Auflassung nur entgegennehmen darf, wenn die Parteien die Urkunde zu
den Grundakten übergeben; eine solche Vorschrift ist tatsächlich in Bayern, Württemberg,
Baden und einigen andern Staaten ergangen (bayr. AussGes. z. Rer Ordn. 12; württemb.
Ausf Ges. 22 usw.).
Die Ülberreichung der über das obligatorische Rechtsgeschäft errichteten Urkunde zu den
Grundakten ist schon mit Rücksicht auf den landesgesetzlich von jeder Grundstücksveräußerung
# enmichtenden Stempel zweckmäßig. Denn wird jene Urkunde nicht vorgelegt, so ist sowohl
sie wie die Auflassung als stempelpflichtig zu behandeln; die Parteien müßten also doppelten
Stempel zahlen.
III. Für die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch gelten die allge-
meinen grundbuchrechtlichen Regeln.
6) RE. 57 S. 97.
Cosad, Bürgerl. Necht. ö. Aufl. 11. 8