8 196. Auflassung von Grundstücken. 115
2. wenn bei der Übereignung eines Teilgrundstücks die zuständige Behörde
ein Unschädlichkeitsattest ausstellt, d. h. bescheinigt, daß die Rechte,
denen bisher das ganze Grundstück haftete, durch das Ausscheiden des über-
eigneten Grundstücksteils nicht benachteiligt werden (EG. 120 1), und auf Grund
dieses Attests die Löschung der Rechte im Grundbuch erfolgt;
3. wenn es sich um Buchrechte handelt, die im Grundbuch nicht einge-
tragen oder fälschlich gelöscht sind und dem Erwerber zur Zeit der Auflassung
nicht bekannt waren (892; s. oben S. 38 ff.).
Zu 2 entscheiden die Landesgesetze. In Preußen kommen hauptsächlich in Betracht die
Gesetze vom 3. 3. 50, 27. 6. 60, 25. 3. 89, 15. 7. 90; pr. AusfGes. 19, 20; pr. GrOrdn. 20;
hiernach erteilt das Attest bei den landschaftlich beliehenen Grundstücken die Kreditdirektion,
bei andern die Generalkommission; das Attest darf nur erteilt werden: 1. wenn das über-
eignete Teilgrundstück im Verhältnis zu dem Restgrundstück und etwaigen andern für die
beteiligten Rechte mitverhafteten, dem nämlichen Eigentümer gehörigen Grundstücken von
geringem Wert und Umfang ist, 2. nur bei entgeltlichen Veräußerungen oder Veräußerungen
zu öffentlichen Zwecken, 3. nur mit Bezug auf Pfandrechte, Reallasten und Rechte der
Agnaten bei Lehen und Familienfideikommissen; das für das Teilgrundstück zu gebende
Entgelt tritt von Rechts wegen in die Haftung für die vormals auf dem Teilgrundstück
lastenden Rechte ein; das gleiche soll nach dem Gesetz von 1860 auch für ein gegen das
übereignete Grundstück eingetauschtes andres Grundstück gelten. — Ahnliche Regeln bestehn
in Bayern, Sachsen, Hessen usw. In Bayern sind zur Ausstellung der Atteste die Amts-
gerichte, in Sachsen die Grundbuchämter zuständig (bayr. Ges. v. 15. 6. 98 § 1; sächs.
Auss Ges. 21 usw.).
VIII. 1. Die Landesgesetze können die reichsrechtlichen Vorschriften über die rechts-
geschäftliche übereignung von Grundstücken abändern wie folgt (EG. 143).
a) Die Landesgesetze können gestatten, daß die Auflassung außer vor dem zuständigen
Grundbuchamt auch vor einem Notar oder einem beliebigen Gericht oder einer sonstigen Be-
hörde vorgenommen werde; doch wird eine solche landesgesetzliche Auflassung an die gleichen
lästigen Formen gebunden wie die Auflassung vor dem Grundbuchamt: wenn also ein
Krefelder an einen Düsseldorfer ein Kölner Haus übereignen will, so kann die Auflassung
nicht seitens des Veräußerers vor einem Krefelder, seitens des Erwerbers vor einem Düssel-
dorfer Notar vorgenommen werden, sondern beide Parteien oder ihre Vertreter müssen
gleichzeitig vor dem nämlichen Notar, sei es nun vor dem Krefelder, sei es vor dem Düssel-
dorfer, sei es vor einem andern, erscheinen. Von dieser Ermächtigung hat Preußen für die
im rheinischen Rechtsgebiet belegenen Grundstücke Gebrauch gemacht: die Auflassung kann
hier vor einem beliebigen preußischen Amtsgericht oder Notar vorgenommen werden (pr.
Auss Ges. 26 § 1); ähnlich Bayern (bayr. AusfGes. 81) und die meisten andern Staaten.
b) In einem engbegrenzten Fall können die Landesgesetze das Erfordernis, daß Ver-
äußerer und Erwerber ihre Auflassungserklärungen „gleichzeitig“ abgeben müssen, fallen
lassen, dann nämlich, wenn ein Grundstück von einem Gericht oder Notar, die zur Entgegen-
nohme der Auflassung zuständig sind, öffentlich versteigert und die Auflassung noch in dem
Bersteigerungstermin vorgenommen wird; demnach können die Bieter sofort mit ihrem Gebot
die Erklärung, daß sie das Eigentum des Grundstücks erwerben wollen, zu Protokoll geben
und sich dann entfernen, während der Veräußerer mit seiner Gegenerklärung, daß er einem
der Bieter das Eigentum übertragen wolle, bis zum Schluß des Versteigerungstermins
warten kann. Von dieser Ermächtigung haben Preußen für das rheinische Rechtsgebiet,
Bayern und andre Staaten Gebrauch gemacht (pr. Auss Ges. 26 § 2; bayr. Auss Ges.
82 usw.).
2. Für zwei Arten von Grundstücken können die Landesgesetze die reichsrechtlichen Regeln
über die rechtsgeschäftliche Übereignung von Grundstücken nicht bloß abändern, sondern ganz
ausschließen, nämlich:
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