Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

l 198. Übereignung von Fahrnis durch Nichteigentümer. 125 
seinem Eigentum stehende Sache zu Unrecht in seinem Eigenbesitz hat. Wir 
wissen: solch ein „Scheineigentümer“ wird Dritten gegenüber unter gewissen 
Voraussetzungen als wahrer Eigentümer fingiert. Somit hat er, wenn diese 
Voraussetzungen erfüllt sind, zwar kein „Recht“, aber doch die „Rechtsmacht", 
die in seinem Besitz befindliche Sache einem Dritten zu übereignen; er „darf“ 
die Ubereignung nicht vornehmen; nimmt er sie aber doch vor, so ist sie 
gültig (932). 
1. Die erste Voraussetzung, an die die Rechtsmacht des Eigenbesitzers zur 
Übereignung der in seinem Besitz, nicht aber in seinem Eigentum stehenden 
Sache geknüpft wird, ist: der Erwerber muß wegen des Eigentums des Ver- 
äußerers in gutem Glauben sein. Das bedeutet: der Mangel des Eigentums 
auf seiten des Eigenbesitzers muß dem Erwerber unbekannt und diese Unkenntnis 
darf keine grobfahrlässige sein (932 1.). 
a) Der Erwerber darf nicht wissen, daß der Veräußerer nicht Eigentümer 
der zu übereignenden Sache ist. Freilich ist er, wenn er dies weiß, deshalb 
allein noch nicht unredlich; denn er kann ja das Auftreten des Veräußerers auch 
bei mangelndem Eigentum sehr wohl für rechtmäßig halten; dennoch rechnet 
das Gesetz ihm diese Art von Redlichkeit nicht als guten Glauben zu. Nicht 
als gutgläubig gilt auch derjenige, der gewußt hat, sein Veräußerer sei 
Eigentümer, habe aber sein Eigentum in anfechtbarer Weise erworben, falls 
später die Anfechtung tatsächlich erfolgt (142 II). 
Beispiele. I. A. will eine Sache, die B. bei ihm hinterlegt hat, ohne B.s Erlaubnis 
untreuerweise verkaufen und trägt Verkauf und Übereignung der Sache dem C. in der Art 
auf, daß C. nach seinem Ermessen in eignem oder in A.s Namen handeln soll; C. ver- 
lußert hierauf auftragsgemäß die Sache an D. entweder 1. so, daß er in eignem Namen 
auftritt und sich selbst für den Eigentümer der Sache ausgibt, oder 2. so, daß er in eignem 
Namen auftritt. aber erkennen läßt, daß die Sache nicht ihm, sondern dem B. gehöre, der 
ün zur Übereignung der Sache in eignem Namen ermächtigt habe, oder 3. daß er im Namen 
des A. auftritt und diesem das Eigentum zuschreibt. Hier gilt D., der in allen drei Fällen 
ohne Fahrlässigkeit den Angaben des C. getraut hat, dennoch nur im ersten und dritten, 
nicht aber im zweiten Fall als gutgläubig; er erlangt also das Eigentum der Sache nur 
im ersten und im dritten Fall. II. Auch dann würde D. kein Eigentum erwerben, wenn 
Csich als Bevollmächtigten des wahren Eigentümers B. ausgegeben hätte?; siehe hierüber 
oben zu II, 2a. III. Siehe das Beispiel unten zu b. 
b) Die Unkenntnis des Erwerbers darf nicht auf grober Fahrlässigkeit 
beruhn (932 II). Hiernach steht dem, der den Eigentumsmangel auf seiten 
des Veräußerers kannte, gleich, wer den Mangel bei Aufwendung einiger 
Aufmerksamkeit hätte kennen müssen. Das ist um so mehr zu betonen, 
als bei der Übereignung von Grundstücken die entgegengesetzte Regel gilt 
(L oben S. 42 0). 
Beispiel. A. kaust von B. das von diesem bewohnte und im Grundbuch auf seinen 
Namen geschriebene Landhaus samt Mobiliar, obschon Rechtsanwalt C. ihm wahrheitsgemäß 
in überzeugender Art mitgeteilt hat, daß B. Haus und Mobiliar dem bisherigen Eigentümer 
9) RG. 58 S. 166.
	        
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