8 199. Übereignung ohne Übergabe. Besitzkonstitut. 133
3. Bei der Übereignung durch Besitzkonstitut gelten die Regeln erst dann,
wenn die Parteien dem Konstitut nachträglich die Übergabe der zu übereignen-
den Sache folgen lassen; der gute Glaube des Erwerbers muß zur Zeit dieser
nachträglichen Übergabe vorhanden gewesen sein, während auf seinen guten
Glauben zur Zeit des Konstituts nichts ankommt (933).
Beispiele. I. A. übereignet eine ihm gehörige Sache dem B. durch Besitzkonstitut und
wiederholt dann dasselbe Rechtsgeschäft arglistigerweise gegenüber C. und nochmals gegenüber
D. Hier ist allein B., also der erste Erwerber, Eigentümer geworden. II. Gleicher Fall;
nur hat C. die Sache sich nachträglich auf einen Augenblick übergeben lassen, dann aber
sofort dem A. zur Verwahrung zurückgebracht. Hier ist C., also der zweite Erwerber,
Eigentümer. III. Gleicher Fall; nur hat C. die „Ubergabe auf einen Augenblick“ sofort
bei der ÜUbereignung vornehmen lassen; dann hat nachträglich auch D. eine solche Augen-
blicksübergabe erlangt; schließlich hat A. die Sache dem C. endgültig ausgeliefert. Hier ist
D., also der dritte Erwerber, Eigentümer; daß C. im unmittelbaren Besitz der Sache ist,
ändert nichts hieran: denn die erste Ubergabe an C. ist durch die Ubergabe an D. wett-
gemacht; die zweite Ubergabe an C. ist aber weder zu Ubereignungszwecken (932) noch in
Ergänzung eines Besitzkonstituts (933) geschehn, hat also für das Eigentum der Sache nichts
zu bedeuten.
4. Bei der Ubereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs ohne
Besitzüberweisung gelten die Regeln erst dann, wenn der Erwerber von dem
zur Herausgabe verpflichteten Besitzer tatsächlich den unmittelbaren oder mittel-
baren Besitz der zu übereignenden Sache erlangt; der gute Glaube des Er-
werbers muß zur Zeit dieses nachträglichen Besitzüberganges vorhanden gewesen
sein, während es auf seinen guten Glauben zur Zeit der Abtretung des Heraus-
gabeanspruchs nicht ankommt (934).
Beispiel. A. hat am Montag eine ihm von B. anvertraute Sache eigenmächtig an C.
verkauft und soll sie ihm vereinbarungsgemäß am Freitag durch Ubergabe übereignen; am
Dienstag verkauft C. die Sache weiter an den gutgläubigen D. und tritt ihm seinen Heraus-
gabeanspruch gegen A. ab; am Donnerstag erfährt D., daß weder A. noch C. Eigentümer
der Sache gewesen ist, holt aber trotzdem am Freitag die Sache bei A. ab. Hier erlangt D.
kein Eigentum.
V. Die Mitwirkung des Veräußerers bei der Übereignung ohne Über-
gabe kann durch ein Erkenntnis ersetzt werden, das ihn zu der Übereignung
rechtskräftig verurteilt (6P O. 894). Nur für die Übereignung durch Konstitut
gilt eine Ausnahme, da das Konstitut nicht bloß eine rechtliche, sondern eine
tatsächliche Unterwerfung des Veräußerers unter die Herrschaft des Er-
werbers bedeutet (s. oben S. 90 0) und diese Tatsache durch ein bloßes Urteil
nicht verwirklicht werden kann.
VI. 1. Außer dem Eigentum der zu übereignenden Sache erlangt der
Erwerber bei der Übereignung durch Besitzkonstitut und durch Besitzüberweisung
zugleich den mittelbaren Besitz der Sache.
2. Dagegen findet bei der Übereignung durch bloßen Übereignungsvertrag
und durch Abtretung des Herausgabeanspruchs ohne Besitzüberweisung ein
solcher Besitzerwerb nicht statt. Vielmehr behält dort der Erwerber seinen
bisherigen Besitz — freilich mit der Maßgabe, daß er aus einem Fremd= ein
Eigenbesitzer wird —, während er hier nach wie vor des Besitzes darbt.