144 Buch III. Abschnitt 3. Das Eigentum.
Besitzes des Eigentums an der Sache ermangelte, und auch nachträglich darf
er den Mangel des Eigentums bis zum Ablauf der Ersitzungszeit nicht erfahren
haben (937 II). Ist sein guter Glaube oder seine nachträgliche Sachkenntnis
streitig, so trifft die Beweislast nicht ihn, sondern die Gegenpartei.
Beispiele. I. A. entdeckt bei einem Umzuge in seiner großen Bibliothek ein Buch, auf
dessen Erwerb er sich nicht besinnen kann; er nimmt aber an, daß er es wohl irgend einmal.
gekauft haben müsse, und ist zu dieser Annahme auch wohl berechtigt, weil er bereits viele
ähnliche Bücher gekauft hat; in Wirklichkeit gehört aber das Buch seinem Freunde B.; dieser
hat es bei A. liegen lassen, und ein Kind des A. hat es beim Spielen in ein selten benutztes
Bücherfach des Vaters gelegt. Hier kann A. das Buch in 10 Jahren seit der Entdeckung
ersitzen, da er beim Besitzerwerbe sich ohne grobe Fahrlässigkeit für den Eigentümer hielt.
Dagegen wäre die Ersitzung ausgeschlossen, wenn A. noch niemals ein Buch dieser Art ge-
kauft hat; denn dann wäre seine Unkenntnis eine grobfahrlässige. Dasselbe würde gelten,
wenn das Buch nicht durch ein bloßes Versehn in seine Bibliothek gekommen, sondern ihm
von B. einstmals geliehen worden wäre; denn dann hätte er beim Besitzerwerbe sogar positiv
gewußt, daß er nicht Eigentümer geworden sei; der Umstand, daß er dies später vergessen
und das Buch, als er es wieder entdeckte, für sein eignes gehalten hat, ändert hieran nichts,
weil die Entdeckung nur die Folge eines längst vorhandenen Besitzes, nicht aber ein neuer
Besitzerwerb war. II. C. erwirbt von dem Buchhändler D. antiquarisch ein Buch, das vor
kurzem auf der Bibliothek gestohlen ist und auch deren Stempel trägt; der Antiquar hat aber
den Stempel geschickt verklebt; einen Tag später entdeckt C. den Stempel, erkundigt sich
auf der Bibliothek und erfährt dort den Diebstahl. Hier ist die Ersitzung ausgeschlossen, ob-
schon C. bei seinem Besitzerwerbe zweifellos gutgläubig gewesen ist. Dagegen könnte C. er-
sitzen, wenn er sofort bei der Entdeckung des Stempels Argwohn schöpft, aber gerade deshalb
eine Erkundigung bei der Bibliothek unterläßt, das Buch sorgfältig verheimlicht und, als zufällig
die Sprache auf das Buch kommt, den Besitz sogar verleugnet; denn Argwohn und Kenntnis
sind verschiedene Dinge; man kann also wirklich nicht sagen, daß D. „gewußt" hat, er sei
nicht Eigentümer des Buchs geworden; freilich ist seine Unkenntnis äußerst fahrlässig; es
kommt aber hierauf nicht an, weil sein Argwohn erst entstanden ist, als er den Besitz des
Buchs bereits erworben hatte.
Aus der Regel zu 3 folgt, daß die Fortsetzung einer Ersitzung durch den Erben und
durch einen Einzelrechtsnachfolger nicht, wie bei der Buchersitzung, völlig gleich behandelt
wird. Denn da die Fortsetzung der Ersitzung durch einen Einzelrechtsnachfolger als Beginn
einer neuen Ersitzung mit abgekürzter Ersitzungszeit gilt, darf der Ersitzende beim Erwerbe
des Eigenbesitzes seinen Rechtsmangel weder gekannt noch grobfahrlässig verkannt haben;
dagegen schadet es bei der Fortsetzung der Ersitzung durch den Erben nur, wenn diesem der
Rechtsmangel des Erblassers bekannt, nicht auch, wenn er ihm infolge grober Fahrlässigkeit
unbekannt gewesen ist (s. oben S. 118).
II. Nießbrauchs= und Pfandrechte, die auf der ersessenen Sache ruhten,
werden durch die Ersitzung zerstört, vorausgesetzt (945),
1. daß sie schon begründet waren, ehe der Ersitzende seinen Eigenbesitz erwarb,
2. daß der Ersitzende ihretwegen in gutem Glauben war,
3. daß auch die sonstigen Bedingungen der Ersitzung gegenüber diesen
Rechten erfüllt sind, insbesondre der Inhaber des Rechts seinen Anspruch
nicht vor Ablauf der Ersitzungszeit gegen den Ersitzenden gerichtlich geltend
gemacht hat.
III. Irgendein Entschädigungsanspruch wird denen, die durch die Er-
sitzung ihre Rechte verlieren, nicht zugebilligt.
1) Binder, Rechtsstellung des Erben (01) 1 S. 42.