Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§5 210. Bäume, Gebäude auf u. an d. Grenze. Grenzanlagen. 161 
binfällig, wenn das Alleineigentum des einen Nachbars durch äußere Merkmale 
erkennbar gemacht ist (921). 
Beispiele: die Grenzmauer hat die Traufe allein nach einem der Grundstücke; die 
Grenzsteine stehn nicht auf dem Rain, sondern am Rande des Rains. 
b) Das gemeinschaftliche Nutzungsrecht ergreift nicht bloß den Teil der 
Anlage, der auf des Benutzenden Grundstück steht, sondern die Anlage im 
ganzen; doch muß die Benutzung dem Zweck der Anlage entsprechen und darf 
die Mitbenutzung des Nachbars nicht beeinträchtigen (922 Satz 1). 
Beispiele. Jeder Nachbar darf in der auf der Grenze stehenden Mauer Nischen, nicht 
aber Fenster anbringen; er kann ferner eiserne Träger in die Mauer einfügen, die deren 
ganze Dicke durchdringen, muß sie aber bis zur Hälfte der Mauer zurückziehn, wenn der 
andre Nachbar an der nämlichen Stielle einen Balken in die Mauer einsügen will. 
Will ein Nachbar die gemeinschaftliche Grenzmauer erhöhn, so muß er in den meisten 
Rechtsgebieten den Aufbau auf den diesseits seiner Grenze gelegenen Teil der Mauer be- 
schränken. Das Gegenteil ist bestimmt für Rheinpreußen, Bayern, Baden, Hessen, Elsaß-Lothr., 
Anhalt und andre Staaten (AusfGes. Preußen 23, Bayern 68 usw.). 
) Die Unterhaltungskosten sind von den Nachbarn zu gleichen Teilen zu 
tragen (922 Satz 2). 
4) Solange einer der Nachbarn an dem Fortbestande der Anlage ein 
Interesse hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert 
werden (922 Satz 3). 
3. Zur Errichtung neuer Grenzanlagen sind die Nachbarn sich gegenseitig 
nicht verpflichtet. Will also ein Nachbar sein bisher unverschlossenes Grund- 
stück durch Mauern, Zäune oder Hecken einfrieden, so muß er dies auf seine 
alleinigen Kosten tun und mit der Anlage diesseits der Grenze bleiben; nur 
in Elsaß-Lothringen kann bei städtischen Grundstücken jeder Nachbar die Mauer 
mitten auf der Grenze errichten (AusfGes. Els.-Lothr. 69). 
XII. Keine Regeln stellt das Gesetz über Gebäude auf der Grenze 
aus, die nicht zu Grenzzwecken errichtet sind und also nicht als Grenzanlagen 
im Sinn der Vorschriften zu XI gelten. Das Reichsgericht nimmt an, daß 
jeder Grundstückseigentümer den auf seinem Grundstück stehenden Gebäudeteil 
allein benutzen und nach Gutdünken auch einreißen könne, jedoch im letzteren 
Fall auf eigne Kosten dafür Sorge tragen müsse, daß der andre Teil des 
Gebäudes nicht Schaden leide. Ob diese Entscheidung zutrifft, sei hier dahin- 
gestellt. 17 
XIII. 1. Geraten die Eigentümer zweier anstoßender Grundstücke über 
die Grenzlinie in Streit, so kann jeder von ihnen im Prozeßwege die Ent- 
scheidung des Gerichts anrufen. Dabei sind aber zwei verschiedene Fälle zu 
unterscheiden. s 
a) Erster Fall: dem Gericht wird der richtige Zug der Grenzlinie durch 
eine der Parteien nachgewiesen. Dann ist die Entscheidung des Gerichts rein 
17) NG. 70 S. 200; s. auch ebenda 72 S. 270. 
18) Rönnberg, Arch. f. BR. 11 S. 271; Höniger, Grenzstreitigkeiten ol- 
Cofact, Bürgerl. Recht, 5. Aufl. II.
	        
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