§ 215. Alteres Recht. 183
b. Nach bisherigem gemeinen Recht mußte bei der Fahrnisvindikation der
Vindikant beweisen, daß er einstmals Eigentum erworben hatte. ? Dement-
gegen beruhn die Beweisregeln des bürgerlichen Gesetzbuchs auf deutscher
Rechtsanschauung. Sie finden sich ähnlich im preußischen und französischen
Recht wieder. 7
Die gemeinrechtliche Regelung der Beweislast war so ungerecht wie möglich. Denn je
längere Zeit seit seinem Eigentumserwerbe verflossen war, desto schwieriger wurde dem Eigen-
tümer dieser Beweis. Sein Eigentum wurde also von Tag zu Tag ehrwürdiger und zugleich
wertloser, ungeachtet dessen, daß er die ganze Zeit im Besitz war, also keinen Anlaß hatte, sich
den Beweis seines Eigentumserwerbes zu sichern! Man wende auch nicht ein, daß die kurze
dreijährige Ersitzung derartige Schwierigkeiten beseitigte. Vielmehr änderte sie gar nichts an
ihnen: denn sie setzte ja einen Besitztitel des Ersitzenden voraus, und dieser vom Vindikanten
zu beweisende Titel konnte ja auch schon über zwanzig Jahre alt sein; aus diesem Grunde waren
also bei der sog. actio publiciana 36 die Beweisschwierigkeiten die gleichen wie bei der Vindi-
kation. Aber auch für den Gegner des Vindikanten war die gemeinrechtliche Beweisregel äußerst
ungerecht. Denn hatte der Vindikant einmal sein einstiges Eigentum bewiesen, so wurde dessen.
Fortdauer vermutet. Der Gegner hatte also die Vermutung zu brechen, indem er seinerseits
den Verlust jenes Eigentums beweisen mußte. Auch hier also dasselbe Schauspiel: je länger
der Gegner Eigentümer der Streitsache war, desto schwieriger wurde ihm dieser Beweis; sein
Eigentum wurde von Tag zu Tag ehrwürdiger und zugleich wertloser, ungeachtet dessen,
daß er, der Gegner, die ganze Zeit im Besitz war, also keinen Anlaß hatte, sich Beweise für
seinen Eigentumserwerb oder für den Eigentumsverlust des Vindikanten zu sichern!51
p0) Das ältere deutsche Recht gab dem Besitzer, der eine redlich erworbene
Fahrnis einem Vorbesitzer herausgeben mußte, einen Lösungsanspruch wenigstens
in gewissen Ausnahmefällen, z. B. wenn er die Sache auf dem Markt oder
vom Juden gekauft hatte. Ganz allgemein hat erst das preußische Landrecht 32
den Lösungsanspruch anerkannt, während das französische und sächsische Recht
ihn gleichfalls nur für Ausnahmefälle gelten ließ.353 Gemeinrechtlich galt der
Lösungsanspruch in keinem Fall.
Zusatz zu Abschnitt III.
I. Kollisionsnormen.
1. a) Für die Fahrnisersitzung ist das Recht des Orts maßgebend, an dem die Sache
sich bei Ablauf der Ersitzungsfrist befindet. Daneben muß aber, wenn die Sache sich während
eines Teils der Ersitzungsfrist an einem andern Ort befunden hat, auch das Recht dieses
Orts zur Anwendung kommen, jedoch nur so weit, als es der Ersitzung minder günstig ist,
und mit Beschränkung auf die Zeit, während deren die Sache sich im Herrschaftsbereich
dieses Rechts befand. Der Grund ist, daß man die Ersitzungsfrist als eine Schutzfrist für
die Rechte des bieherigen Eigentümers aufzufassen hat; nun kann aber der Eigentümer nicht
wissen, in welchem Rechtsgebiet die zu ersitzende Sache sich dereinst am Ende der Frist be-
finden wird; man kann ihm also auch nicht zumuten, daß er seine Rechte nach den Vor-
schristen dieses ihm notwendig unbekannten Gebiets wahrt, sondern muß ihm gestatten, daß
er sich nach den Vorschriften des Orts richtet, an dem die Sache sich jeweilig befindet.
b) Lediglich eine Konsequenz der Regel zu a ist, daß, wenn die zu ersitzende Sache
aus einem Gebiet mit längerer in ein Gebiet mit kürzerer Ersitzungsfrist gelangt, die Er-
29) Windscheid-Kipp 1 § 196. 29a) Gierke, D. PrR. 2 S. 257, 597 II.
30) Siehe oben S. 105 b.
31) Dies habe ich genauer ausgeführt bei B. u. F. 13 S. 39ff.
32) Pr. LR. I, 15 § 26. 33) C.,c. 2280; sächs. GB. 315.
1) Abw. Zitelmann, internat. Privatrecht 2 S. 347.