§ 238. Dinglichkeit des Mieterrechts. 291
ausdrücklich nur gegen solche Personen zugesagt, die nach der Überlassung des
Mietgrundstücks an den Mieter das Eigentum oder ein beschränktes dem Miet-
gebrauch widersprechendes dingliches Recht an diesem Grundstück durch Rechts-
geschäft erlangt haben (571, 577, 579). Indes ist der Schluß unabweislich,
daß, wenn der Mieter gegen die Störungen einer Person geschützt wird, die
an dem Grundstück ein Recht hat, er um so mehr gegen die Störungen eines
völlig Unbefugten geschützt sein muß. Ist dieser Schluß aber zutreffend, so ist
damit die Wirksamkeit des Mietrechts gegen jeden Dritten bewiesen.?
Beispiele. I. Der Vermieter A. gibt sein Eigentum an dem im Mietbesitz des B. be-
findlichen Hause auf, weil es mit Grundschulden überlastet und deshalb ohne Wert für ihn
ist; der Fiskus eignet sich darauf das Haus an. Hier nehme ich an, daß der Fiskus das
Mietrecht des B. gegen sich gelten lassen muß; wer sich dagegen an den Wortlaut des Ge-
setzes klammert, muß dem Fiskus das Recht zusprechen, den B. ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist (1.1) auszutreiben. II. Der Vermieter C. benutzt eine Reise seines Mieters D.,
um dessen Miethaus gewaltsam in unmittelbaren Besitz zu nehmen und das anscheinend
mielfrei gewordene Haus entweder dem gutgläubigen E. zu übereignen oder dem ebenso gut-
gläubigen F. mietweise zu überlassen. Hier meine ich, daß D. die Wiedereinräumung der
Wohnung sowohl von E. wie von F. verlangen kann. Nach dem Wortlaut des Gesetzes
braucht dagegen nur E., nicht aber F. das Mietrecht des D. gegen sich gelten zu lassen, weil
nur E., nicht aber auch F. ein Recht „an“ dem Hause hat.
üÜbrigens hat die Frage, ob das Mietrecht dinglich ist oder nicht, noch weitere praktische
Konsequenzen. So wird, wer sie bejaht, dem Mieier, der von einem fälschlich als Eigentümer
eingetragenen Nichteigentümer gemietet hat, den Schutz der grundbuchrechtlichen Fiktion (892)
gewähren; er wird für einen Prozeß aus dem dinglichen Mietrecht das Gericht der belegenen
Sache für ausschließlich zuständig erklären; er wird in analoger Anwendung von EW. 11
aus einem über ein deutsches Grundstück im Auslande mündlich auf 5 Jahre abgeschlossenen
Miervertrage das dingliche Recht des Mieters nur für ein Jahr gelten lassen (566) usw.
Häufig wird als Grund gegen die Dinglichkeit des Mietrechts ins Feld geführt, daß
das Miewerhältnis bei einer Zwangsversteigerung des Miergrundstücks oder im Konkurse
des Mieters vom Ersteher vor Ablauf der vertragsmäßigen Mietzeit gekündigt werden kann.
Sehr mit Unrecht: daraus, daß die Dauer der Miete in Notfällen beschränkt wird, folgt
noch nicht, daß dem Mieter ein dingliches Recht fehlt. Demgemäß ist denn auch das
Kündigungsrecht des Erstehers bereits im preußischen Landrecht anerkannt, obschon in
dessen Geliungsgebiet die Dinglichkeit der Miete und estritten war.
2. Das dingliche Mietrecht übt auch auf die persönliche Forderung des
Mieters einen wesentlichen Einfluß aus; gerade wie die Forderung eines
Darlehnsgläubigers dadurch abgeändert wird, daß ihr eine Hypothek sichernd
zur Seite tritt (s. oben S. 275), so wird auch die Forderung des Mieters
durch den Hinzutritt des dinglichen Mietrechts umgewandelt.
a) Sobald der Mieter ein dingliches Mietrecht erworben hat, ist nämlich
seine Forderung auf Gewährung des vertragsmäßigen Gebrauchs des Miet-
grundstücks nicht mehr gegen den „Vermieter“ als solchen, sondern gegen den
„Mietschuldner“ gerichtet. Anfänglich sind freilich Vermieter und Mietschuldner
Fuchs bei Gruchot 46 S. 571; Mitteis a. a. O.; abw. RE. 54 S. 235; Crome
#. a. O.: Romeick a. a. O.; Gierke, D. PrR. 1 S. 612 16; Eceius bei Gruchot 46 S. 572;
Minelstein, Miete, 2. Aufl. (09) S. 535. Siehe aber auch RG. 59 S. 328.
3) Siehe Dernb., pr. PrR. 1 § 291.
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