386 Buch IV. Das Recht der Urkunden.
Beispiel: der Hundertmarkschein der Reichsbank.
II. Der Inhalt der Inhaberschuldverschreibung steht im Belieben des
Ausstellers: jede einzige Verpflichtung, welche sie auch sei, kann durch eine In-
haberschuldverschreibung verbrieft werden.
Beispiele. I. 1. Der Hundertmarkschein der Reichsbank geht auf die einmalige, der
verzinsliche Staatsschuldschein geht auf die wiederholte Zahlung von Geld. 2. Der Inhaber-
lagerschein geht auf die Herausgabe individuell bestimmter Sachen. 3. Die Eisenbahnfahr-
karte geht auf eine Dienstleistung der Bahn. II. 1. Der Hundertmarkschein der Reichsbank
gibt keinen Schuldgrund an, sondern enthält ein abstraktes Schuldversprechen. 2. Der In-
haberlagerschein verweist auf die entgeltliche Einlagerung von Gütern als Schuldgrund und
ist auch rechtlich von diesem Schuldgrunde abhängig, so daß auf die beiderseitigen Rechte und
Pflichten die Regeln von 691, 692, 696 zur Anwendung kommen.
Eine Ausnahme gilt im Versicherungsrecht: Versicherungsscheine können nicht als echte
Inhaberschuldverschreibungen, sondern nur als „hinkende“ Inhaberpapiere (unten S. 433 6)
ausgestellt werden (s. RGes. über den Versicherungsvertrag v. 30. Mai 1908 § 40.
III. Ob eine bestimmte Urkunde als Inhaberschuldverschreibung anzusehn
ist, läßt sich nur aus den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der
Verkehrssitte entnehmen; daß die Urkunde eine ausdrückliche „Inhaberklausel“
enthalten müßte, ist nicht vorgeschrieben.
Beispiele. I. Bei den Inhaberzinsscheinen einer öffentlichen Anleihe ist eine Inhaber-
klausel nach der Verkehrssitte nicht nötig; hier genügt es vielmehr, wenn auf dem Schein
der Name des Gläubigers nicht genannt wird. Siehe das folgende Muster:
Preußische konsolidierte 3½ proz. Staatsanleihe von 1880
Zinsschein Reihe III Nr. 2 zur Schuldverschreibung Lit. F.
Nr. 108 351 n.
über 200 Mark. 3 Mk. 50 Rf.
Halbjährige Zinsen zahlbar am 2. Januar 1901 mit 3 Mark 50 Pf.
(Unterschrift.)
II. Dagegen ist bei einem Inhaberlagerschein eine Inhaberklausel unerläßlich; die bloße
Nichtbenennung eines Gläubigers würde hier nicht genügen. Würde also der Lagerhaus-
besitzer A. über 72 von B. eingelieferte Säcke Weizen einen Schein dahin ausstellen: „Lager-
schein über 72 Sack Weizen, eingeliefert von B., gezeichnet F. B. Nr. 1—72. Obige Säcke
liefere ich gegen Rückgabe des Scheins jederzeit aus. M. den .... A.“, so wäre dieser
Schein keine Inhaberschuldverschreibung, sondern aus dem Schein wären nur B. und seine
Rechtsnachfolger berechtigt.
übliche Inhaberklauseln sind „zahlbar an den Inhaber“, „zahlbar ohne Legitimations-
prüfung an den Uberbringer“. Zulässig ist auch die sog. alternative Inhaberklausel:
„zahlbar an Herrn C. oder Überbringer“.
b) Die Ausstellung der Inhaberschuldverschreibung.
§ 256.
I. Eine allgemeine Formvorschrift für die Ausstellung einer Inhaber-
schuldverschreibung ist, daß die Urkunde vom Aussteller unterzeichnet werden
muß; doch braucht die Unterzeichnung keine eigenhändige zu sein, sondern kann