Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 255. Inhaberschuldverschreibung. § 256. Ausstellung. 387 
auch durch ein „Faksimile“, d. h. eine im Wege mechanischer Vervielfältigung 
hergestellte Namensunterschrift bewirkt werden (s. 793 II Satz 2). 
Wenn der Aussteller will, kann er diese gesetzlichen Formvorschriften rechtsgeschäftlich 
verschärfen, muß dies dann aber auf dem Inhaberpapier selbst erklären (793 II Satz 1). 
Hierher gehört z. B. die Vorschrift, daß das Papier, um gültig zu sein, außer dem Faksi- 
mile des Schuldners noch die eigenhändige Unterschrift eines Kontrollbeamten tragen muß. 
Ausnahmeregeln s. unten S. 406-·1, 421 II. 
II. 1. Inhaltlich hat die Ausstellung einer Schuldverschreibung auf den 
Inhaber den Charakter eines Vertragsantrages. 
a) Freilich unterscheidet sich dieser Vertragsantrag von andern Vertrags- 
anträgen in zahlreichen wichtigen Punkten. 
a) Während die meisten andern Vertragsanträge an eine individuell be- 
stimmte Gegenpartei gerichtet sind und auch nur von ihr rechtswirksam ange- 
nommen werden können, ergeht der Antrag des Ausstellers einer Inhaber- 
schuldverschreibung an die unbestimmte Schar aller künftigen Inhaber der 
Urkunde, und jeder dieser Inhaber kann den Antrag der Reihe nach annehmen. 
Die Folge ist, daß der Vertragsantrag des Ausstellers, indem er zwar nur 
einmal gestellt, aber wiederholt angenommen wird, als Grundlage für eine 
lange Kette von Vertragsschlüssen dienen kann. 
8) Während die meisten andern Vertragsanträge erst dadurch rechtswirksam 
werden, daß sie der Gegenpartei mit dem Willen des Antragstellers zugehn, 
wird der Antrag des Ausstellers einer Inhaberschuldverschreibung auch dann 
wirksam, wenn die Gegenpartei ihn gegen den Willen des Ausstellers empfängt, 
also selbst dann, wenn er dem Aussteller gestohlen worden ist; ja der Antrag 
soll sogar wirksam sein, wenn die Urkunde, die ihn verbrieft, erst in Ver- 
kehr gesetzt wird, nachdem der Aussteller gestorben oder geschäftsunfähig ge- 
worden ist (s. 794). 
7) Während die meisten andern Vertragsanträge durch eine Erklärung des 
Antragstellers frei widerrufen werden können, vorausgesetzt, daß der Widerruf 
der Gegenpartei spätestens zugleich mit dem Antrage zugeht, ist dem Aussteller 
einer Inhaberschuldverschreibung der Widerruf nur in der Form einer Ver- 
nichtung der Schuldverschreibung gestattet. 
0) Während die meisten andern Vertragsanträge regelmäßig nur dadurch 
zu einem Vertragsschluß führen, daß die Gegenpartei den Antrag durch eine 
Erklärung gegenüber dem Antragsteller annimmt, kann der Antrag des Aus- 
stellers einer Inhaberschuldverschreibung allgemein auch ohne eine solche Er- 
klärung angenommen werden; insbesondre liegt eine gültige Annahme des 
Antrages darin, daß jemand sich die Schuldverschreibung von einem Zwischen- 
besitzer übereignen läßt, auch wenn der Aussteller bei dieser Übereignung nicht 
zugegen ist und auch nachträglich nichts davon erfährt („stille“ Annahme, oben 
Bd. 1 S. 206). 
e) Während die meisten andern Vertragsanträge dadurch erlöschen, daß
	        
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