410 Buch IV. Das Recht der Urkunden.
allen übrigen Anleihen kraft Gesetzes zu einem Gläubigerverbande ver-
einigt (RGes. betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschrei-
bungen („Sch Verschr Ges.“] v. 4. Dezbr. 1899 §§ 1, 24).3
1. Der Verband hat zu seinem Organ die Gläubigerversammlung.
a) Die Versammlung tritt zusammen, wenn sie durch öffentliche Bekannt-
machung einberufen wird. Die Einberufung geschieht nicht periodisch, sondern
bloß dann, wenn ein gemeinsames Handeln der Gläubiger wünschenswert er-
scheint; zuständig ist der Anleiheschuldner; doch kann das Gericht auf Antrag
auch den Treuhänder, falls ein solcher vorhanden ist (s. unten zu 2) oder auch
einzelne Gläubiger, deren Anleihescheine zusammen mindestens ½0 des Nenn-
werts aller im Umlauf befindlicher Scheine erreichen, zur Einberufung er-
mächtigen (s. Sch Verschr Ges. 3, 4, 16 II).
b) Die Versammlung faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit; die
Abstimmung geschieht aber selbstverständlich nicht nach Köpfen, sondern nach
dem Nennwert der den abstimmenden Gläubigern gehörigen Anleihescheine
(Sch Verschr Ges. 19# ff.).
c) Die Versammlung ist zur Wahrung der gemeinsamen Interessen der
Gläubiger berufen; sie kann demgemäß zum Vorteil der Gläubiger Rechts-
geschäfte abschließen, Prozesse führen u. dgl. Doch sind ihrer Zuständigkeit
folgende Schranken gesetzt.
a) Eine Herabsetzung der Kapitalansprüche der einzelnen Gläubiger unter
den Nennwert ihrer Anleihescheine kann die Versammlung nur beschließen,
wenn der Anleiheschuldner in Konkurs geraten ist und die Herabsetzung der
Anleiheschuld zur Beendigung des Konkurses dient“ (Sch Verschr Ges. 11 I, 12 III,
18 VI). Eine anderweitige Preisgabe oder Beschränkung von Gläubigerrechten,
namentlich eine Herabsetzung des Zinsfußes und eine Stundungsbewilligung,
kann schon dann beschlossen werden, wenn die Zahlungseinstellung oder der
Konkurs des Anleiheschuldners erst bevorsteht und durch das Entgegenkommen
der Gläubiger abgewendet werden soll (Sch erschr Ges. 11 1). In dem einen
wie in dem andern Fall bedarf der Beschluß einer Mehrheit, die mindestens ¾
der abgegebenen Stimmen und je nach der Größe der Anleihe ½0— des Nenn-
werts aller im Umlauf befindlichen Anleihescheine umfaßt; er muß für alle Gläu-
biger die gleichen Bedingungen festsetzen, es sei denn, daß die zurückgesetzten
Gläubiger ausdrücklich in die Bevorzugung der andern Gläubiger willigen; wird
ein Gläubiger durch ein Sonderabkommen mit dem Anleiheschuldner oder einem
Dritten begünstigt, so ist dies Abkommen und, falls der Beschluß der Versamm-
lung dadurch beeinflußt ist, auch dieser Beschluß ungültig (Sch Verschr Ges. 11 II, 12).
68) Ganz unzulässig ist ein Beschluß, durch den die Versammlung die
3) v. Zimmermann, Teilschuldverschreibungen (01); Kommentare zu dem Reichsges. von
Könige, Göppert u. a.
4) R. 75 S. 260.