Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

418 Buch IV. Das Recht der Urkunden. 
b) Die Zinsscheine betreffen ausschließlich die Zinsschuld der nächsten 
Jahre und zwar jeder Schein immer nur eine einzelne Zinsrate. 
c) Der Erneuerungsschein betrifft ausschließlich die Zinsschuld der Zeit 
nach den in den Zinsscheinen berücksichtigten Zinsjahren; der Aussteller ver- 
spricht nämlich, den Inhaber des Erneuerungsscheins nach Ablauf jener Zins- 
jahre mit neuen Zinsscheinen für eine weitere Reihe von Jahren und mit 
einem neuen Erneuerungsschein zu versehn. 
2. àa) Jeder einzelne Zinsschein bildet eine selbständige Inhaberschuld- 
verschreibung 1 und kann deshalb getrennt für sich — also ohne die Haupt- 
urkunde, die übrigen Zinsscheine und den Erneuerungsschein — erworben 
werden. Ist dies geschehn, so steht die Zinsrate, auf die der Zinsschein sich 
bezieht, ausschließlich dem zu, der das Recht der Verfügung über den Zins- 
schein hat; Kapitalgläubiger und Zinsgläubiger sind also verschiedene Personen. 
Dem entspricht es, daß zur Einziehung einer Zinsrate die Vorlegung und 
Rückgabe des betreffenden Zinsscheins erforderlich und genügend ist; der 
Schuldner darf mithin die Zinsen nicht auf die Haupturkunde ohne den Zins- 
schein, wohl aber muß er sie auf den Zinsschein ohne die Haupturkunde 
zahlen. 
Der Schuldner kann sich demnach gegenüber dem Eigentümer des Zinsscheins nicht 
darauf berufen, daß er den Zins bereits an den Eigentümer oder Inhaber der Haupturkunde 
bezahlt habe. Ebensowenig kann er sich darauf berufen, daß der Eigentümer oder Inhaber 
der Haupturkunde ihm den Zins erlassen oder gestundet habe; eine Ausnahme gilt, wenn 
ein solcher Erlaß oder eine solche Stundung nicht von einem einzelnen Gläubiger, sondern 
von der Mehrheit einer ordnungsmäßigen Gläubigerversammlung ausgeht (s. oben S. 410)., 
Die Regel, daß mit Erfüllung oder sonstiger Aufhebung der Kapitalschuld auch die 
zugehörige Zinsschuld aufgehoben wird (s. oben Bd. 1 § 90 II, 1 a), gilt, wenn Inhaber- 
Zinsscheine ausgegeben sind, nicht. Der Schuldner muß vielmehr die Zinsscheine selbst dann 
einlösen, wenn er die Kapitalschuld längst bezahlt hat. Deshalb kann er, wenn ihm bei der 
Einlösung der Haupturkunde nicht zugleich sämtliche bereits ausgegebene Zinsscheine zurückgegeben 
werden, den Betrag, der zur Deckung der nicht zurückgegebenen Zinsscheine nötig ist, zurück- 
halten (803). 
b) Auch der Erneuerungsschein ist eine selbständige Inhaberschuldver- 
schreibung wie der einzelne Zinsschein 3; die neue Reihe von Zinsscheinen 
und der neue Erneuerungsschein ist also dem Inhaber des alten Erneuerungs- 
scheins gegen dessen Rückgabe auszuhändigen, ohne daß es der Vorlegung der 
Haupturkunde bedarf. Nur gilt hier die Besonderheit, daß auch umgekehrt 
der Inhaber der Haupturkunde die Aushändigung der neuen Zinsscheine und 
des neuen Erneuerungsscheins fordern darf, ohne den alten Erneuerungs- 
schein vorlegen und zurückgeben zu müssen, und daß er die Aushändigung 
dieser Urkunden an den Inhaber des Erneuerungsscheins verbieten kann (805). 
1) Abw. Simon in Holdheims Monassschrift f. Handelsrecht 11 S. 213. 
2) Simon a. a. S. 232. 
3) Siehe Brunner in Endemanns Handb. d. Handelsrecht 2 S. 205. Abw. R. 4 
S. 141; 74 S. 341; Deneke, Jahrb. f. Dogm. 42 S. 396; Endemann 1 § 196 .
	        
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