422 Buch IV. Das Recht der Urkunden.
gegen Rückgabe der Urkunde einseitig verspricht. Und zwar ist der Erst-
gläubiger im Text der Schuldverschreibung von vornherein namhaft zu machen.
Dagegen ergibt sich die Order des Erstgläubigers aus Vermerken, die der Schuld-
verschreibung erst nachträglich hinzugefügt werden. Jeder solcher Vermerk heißt
Indossament oder Giro; der neue Gläubiger, der durch den Vermerk an
die Stelle des Erstgläubigers gesetzt wird, heißt Indossatar oder Giratar;
derjenige, in dessen Namen der Vermerk ausgestellt wird, heißt Indossant
oder Girant. Werden einer Orderschuldverschreibung hintereinander mehrere
solcher Vermerke zugefügt, so spricht man von einer Indossamenten= oder
Girokette; alsdann ist als Gläubiger an des Erstgläubigers Stelle der-
jenige Indossatar gesetzt, der sich aus dem letzten Gliede der Kette ergibt. Wird
in einem Indossament der Name des Indossatars nicht genannt, so gilt als
Indossatar der jeweilige Inhaber der Schuldverschreibung; in diesem Fall
nennt man das Indossament Blankoindossament oder Blankogiro,
während man die gewöhnlichen Indossamente, die eine bestimmte Person als
Indossatar namhaft machen, Namensindossamente oder Namensgiros
nennt.
Beispiel. Der Kaufmann Al. hat folgenden Schuldschein ausgestellt: „M., den 2. Febr.
1912. Gegen diesen Schein zahle ich am 6. August d. Is. an Herrn B. in N. oder Order
1718 Mark. A.“ und hat ihn dem B. ausgehändigt; demnächst hat B. den Schein an C.,
C. hat ihn an D. verkauft, indossiert und übergeben; sodann hat D. auf den Schein ein
Indossament gesetzt, ohne den Namen eines Indossatars darin zu nennen, und hat den also
indossierten Schein dem E. als Geschenk zugeschickt; endlich hat E. den Schein, ohne einen
neuen Vermerk darauf zu setzen, dem F. verkauft und übergeben. Hier ist der Schein fünf-
mal veräußert: von A. an B., von B. an C., von C. an D., von D. an E., von E. an F.
Er ist aber nur dreimal indossiert, nämlich zweimal durch Namens= und einmal durch Blanko-
indossament; die Indossamentenkette ist also dreigliederig. B. ist Erstgläubiger, C., D., E.
und, obschon sein Erwerb ohne neues Indossament geschah, auch F. sind Indossatare. B.,
C. und D. sind zugleich Indossanten.
2. Der Inhalt der Orderschuldverschreibung steht nicht im Belieben des
Ausstellers, sondern ist für jede Art der Orderschuldverschreibung gesetzlich
bestimmt. Als solche Arten sind im Gesetz vorgesehn (Wechs Ordn. 9; Scheckgesetz
(,Sch Ges.“] vom 11. März 1908 § 8; H##B. 363): der Wechsel, der Scheck, die
kaufmännische Anweisung, der kaufmännische Schuldschein, das Konnossement, der
Ladeschein, der Lagerschein, der Bodmereibrief, die Transportversicherungspolice.
Wird eine Urkunde, die nicht unter eine dieser Kategorien fällt, ausdrücklich als Order-
schuldverschreibung ausgestellt, so ist sie nicht gänzlich ungültig, sondern wird als Rekta-
schuldverschreibung aufrecht zu erhalten sein.?
3. Der Regel nach gilt eine bestimmte Urkunde nur dann als Orderschuld-
verschreibung, wenn sie eine ausdrückliche Orderklausel enthält; nur beim
Wechsel und beim Scheck ist eine solche Klausel entbehrlich (HG#B. 363; Wechs-
Ordn. 9; Sch Ges. 8).
2) Siehe RG. 71 S. 33. Abw. Hellwig, Verträge § 37.