426 Buch IV. Das Recht der Urkunden.
schlossen ist, wenn das Indossament, mit dem die Schuldverschreibung abschließt,
gefälscht ist oder von einem Geschäftsunfähigen herrührt: die bloße Tatsache,
daß jemand im Besitz der Urkunde ist und ein auf der Urkunde befindliches
formgerechtes Indossament zu seinen Gunsten spricht, gibt ihm also eine sachen-
rechtliche Position, die so lange jedem Angriff Dritter entrückt ist, als ihm nicht
böser Glaube nachgewiesen werden kann. Damit wird der Erwerb einer Order-
schuldverschreibung aus unbefugter Hand in viel kräftigerer Weise geschützt als
der gleichartige Erwerb einer Schuldverschreibung auf den Inhaber.
Beispiele. I. A. hat eine von B. ausgestellte Orderschuldverschreibung dem damaligen
letzten Indossatar C. gestohlen, mit einem auf den Namen C.s gefälschten Blankoindossament
versehn und an den gutgläubigen D. veräußert; dieser wird nachträglich wegen Geistesschwäche
entmündigt; trotzdem verkauft und übergibt er den Schein ohne Vorwissen seines Vormundes
dem gutgläubigen E.; E. verliert den Schein; F. findet ihn und eignet sich ihn in dem
entschuldbaren Irrtum an, E. habe ihn freiwillig fortgeworfen. Hier würde, wenn lediglich
die allgemeinen sachenrechtlichen Regeln zur Anwendung kämen, keiner der Nachmänner des
C. das Eigentum der Urkunde erlangt haben, sondern C. wäre Eigentümer geblieben. Da-
gegen wäre, wenn das Recht der Inhaberpapiere anwendbar wäre, der Eigentumserwerb des
D. gültig gewesen, während weder A. noch E. noch F. das Eigentum der Urkunde erlangt
hätie — A. wegen seines schlechten Glaubens, E. wegen der Ungültigkeit der von dem ent-
mündigten D. vorgenommenen Veräußerung, F., weil sein Eigentumserwerb kein vertraglicher
war —, so daß das Eigentum der Urkunde zurzeit dem D. zustände. In Wirklichkeit ist
aber nach dem hier allein maßgeblichen Recht der Orderschuldverschreibungen nur der Eigen-
tumserwerb des schlechtgläubigen A. ausgeschlossen, während alle andern Nachmänner des C.
der Reihe nach vollwirksames Eigentum erlangen, so daß als letzter Eigentümer des Scheins
F. gelten muß. II. G. stiehlt eine dem H. gehörige mit einem Blankoindossament versehene
Schuldverschreibung und schenkt sie dem redlichen J. Hier kann H. von J. dem Wortlaut
des Gesetzes entgegen die Herausgabe des Scheins fordern, jedoch nicht kraft dinglichen Rechts
(1006, 1007), sondern wegen ungerechtfertigter Bereicherung (816 1 Satz 2).
2. Eine weitere Sonderregel sachenrechtlicher Art gilt für das Pfandrecht
an Orderschuldverschreibungen: der Pfandgläubiger soll nämlich zum Pfand-
verkauf der ihm verpfändeten Orderschuldverschreibung nur dann befugt sein,
wenn sie einen Markt= oder Börsenpreis hat, während er sie im übrigen
nur dadurch verwerten darf, daß er die in ihr verbrieste Forderung einzieht
(s. 1295).
Handelt es sich um ein Pfändungspfandrecht, so hat der Gläubiger ein Verkaufsrecht
nicht einmal bei Urkunden mit Börsen= oder Marktpreis (s. ZPO. 831, 835).8
Andre Besonderheiten gelten für den Nießbrauch an Orderschuldverschreibungen, salls diese
mit einem Blankoindossament versehn sind: er wird sachenrechtlich gerade ebenso wie der
Nießbrauch an einer Schuldverschreibung auf den Inhaber behandelt (1081—1084).
3. Von der Regel zu 1 und 2 abgesehn stehn die Orderschuldverschreibungen
sachenrechtlich unter den allgemeinen für gewöhnliche Fahrnissachen geltenden
Normen. Hervorgehoben sei,
a) daß die Übereignung und Verpfändung von Orderschuldverschreibungen
nicht bloß nach Maßgabe der Regeln zu 1 durch Indossierung, sondern nach
89) NG. 61 S. 332.