432 Buch IV. Das Recht der Urkunden.
bloß, wenn er die Formel enthält: „die Herausgabe des Guts geschieht nur gegen Rückgabe
des Scheins“. Fehlt diese Formel, so ist der Lagerschein weiter nichts als ein Schuldschein
ohne Wertpapiercharakter. II. Anders, wenn der Schein die Formel enthält: „der Verwahrer
ist berechtigt, das Gut an den Inhaber des Scheins ohne Prüfung seiner Legitimation aus-
zuhändigen“ (s. unten S. 433 §). Denn, obschon diese Formel offensichtlich etwas ganz andres
besagt als die Rektaklausel, soll sie doch nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung die Rekta-
klausel stillschweigend mit in sich begreifen (808 II Satz 1).
II. 1. Allgemeine Formvorschriften für die Ausstellung von Rektaschuld-
verschreibungen gibt es nicht.
2. Inhaltlich stellt die Ausstellung einer Rektaschuldverschreibung einen
gewöhnlichen Vertragsantrag des Ausstellers an einen bestimmten Gläubiger
dar. Die Sonderregeln, die für die Ausstellung von Inhaber= und Orderschuld-
verschreibungen gelten, sind unanwendbar.
Beispiel. Ein Rektalagerschein ist für den Aussteller nur verbindlich, wenn er nicht
bloß von ihm unterzeichnet, sondern außerdem mit seinem Willen dem in dem Schein be-
nannten Gläubiger übermittelt ist.
3. Eine staatliche Genehmigung ist für die Ausstellung von Rektaschuld-
verschreibungen nicht vorgeschrieben.
III. Sachenrechtlich gilt für die Rektaschuldverschreibungen der Grundsatz,
daß das Recht an der Urkunde als an einem körperlichen Gegenstande von
dem Forderungsrecht aus der Urkunde abhängig ist, also gerade das Gegenteil
von der für die Inhaber= und die Orderschuldverschreibungen maßgebenden
Regel. Hieraus sind folgende Einzelsätze abzuleiten.
1. Das Eigentum an der Urkunde steht von Rechts wegen dem Gläubiger
der in der Urkunde verbrieften Forderung zu (952 1 Satz 1); geht also die
Forderung auf einen neuen Gläubiger über, so erwirbt dieser damit zugleich
das Eigentum der Urkunde, ohne daß es einer Übergabe der Urkunde oder
eines Übergabeersatzes bedarf.
Beispiel. A. hat die selbstschuldnerische Bürgschaft für eine durch Rektaschuldschein ver-
briefte Forderung des B. gegen C. übernommen und hat bei Verfall die Forderung per-
sönlich berichtigt, ohne sich den Schuldschein herausgeben zu lassen. Hier ist das Eigentum
des Scheins, das bisher dem B. zustand, kraft Gesetzes auf A. übergegangen (952, 774).
Eine andre Meinung vertritt Gierke 1: er will die Vorschrift von 952 auf Rektaschuld-
verschreibungen nicht anwenden, sondern regelt deren sachenrechtliche Beziehungen nach den
allgemeinen Normen des Sachenrechts. Hiernach wäre in dem ebengenannten Fall das
Eigentum des Schuldscheins bei B. verblieben.
2. Ingleichen erlangt, wer an der Forderung ein Pfandrecht oder ein
andres beschränktes Recht erwirbt, ebendadurch ein entsprechendes Recht auch
an der Urkunde (s. 952 I Satz 2). Dagegen ist ein Erwerb solcher Rechte,
die sich unmittelbar auf die Urkunde und nicht in erster Reihe auf die Forde-
rung richten, ausgeschlossen.
Beispiele. I. Ein Rektaschuldschein kann nur durch Verpfändung der in dem Schein
verbrieften Forderung verpfändet werden; die Verpfändung wird nur durch Anzeige an den
1) Gierke, D. PrR. 2 S. 136.