440 Buch V. Das Gemeinschaftsrecht.
I. Die Rechtsgemeinschaften zur gesamten Hand.
I. Bie Gesellschaft.
a) Begriff. Begründung der Gesellschaft.
8 276.
I. 1. Eine Gesellschaft (societas) liegt vor, wenn mehrere Personen,
ohne zu einem mit eigner Rechtspersönlichkeit ausgestatteten „rechtsfähigen
Verein“ (unten Buch VI) verbunden zu sein, sich durch gegenseitigen Vertrag
verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zu fördern (s. 705).1
Beispiele. I. Auf Grund eines zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages haben die
Kaufleute A., B., C., D. und E. bisher als sogenannte „offne Handelsgesellschaft“ gemein-
schaftlich ein Warenhausgeschäft betrieben; nunmehr übertragen sie das Geschäft auf eine
„Aktiengesellschaft“", die sie selber eigens für diesen Zweck gegründet haben und der sie als
alleinige Mitglieder beitreten. Hier haben die fünf als offne Handelsgesellschaft eine „Ge-
sellschaft" im Rechtssinn gebildet, nicht aber auch als Aktiengesellschaft. Denn letztere zählt
trotz des Namens, den das Gesetz ihr irreführenderweise beilegt, schon deshalb nicht zu den
echten Gesellschaften, weil sie eigne Rechtspersönlichkeit besitzt. II. 1. Die Brüder G. und H.
haben soeben zusammen eine Doppelvilla geerbt. Hier bilden sie fürs erste noch keine „Ge-
sellschaft“ im Rechissinn, schon aus dem Grunde, weil sie noch keinen Vertrag miteinander
abgeschlossen haben. 2. Nunmehr vereinbaren G. und H., daß sie die Doppelwvilla selber be-
wohnen wollen, G. die östliche, H. die westliche. Hier bilden G. und H. noch immer keine
Gesellschaft; sreilich fehlt es jetzt an einem Vertrage zwischen ihnen nicht, und auch ein ge-
meinsamer Zweck, den beide zu fördern allen Anlaß hätten, nämlich die gute Erhaltung
beider Häuser, ist vorhanden; doch hat weder G. dem H. noch H. dem G. in jenem Vertrage
versprochen, daß er diesen gemeinsamen Zweck wirklich fördern werde; sie haben vielmehr die
Pflege der gemeinsamen Interessen zunächst dem beiderseitigen guten Willen und der freien
Vereinbarung von Fall zu Fall überlassen. 3. Schließlich einigen sich G. und H. dahin,
daß sie die Doppelvilla in ein Mietshaus mit vier Wohnungen umwandeln und für gemein-
same Rechnung vermieten wollen. Hier ist endlich eine echte Gesellschaft zwischen beiden zu-
stande gekommen; denn in jener Einigung liegt stillschweigend zugleich die gegenseitige rechts-
verbindliche Zusage, daß G. und H. sich um die Förderung eines gemeinsamen Zwecks, nämlich
des Vermietens der Villa, mit Eifer bekümmern werden. III. J. stellt in seiner Fabrik den
K. gegen ein Gehalt von 8000 Mk. und 10% Anteil am jährlichen Reingewinn als kauf-
männischen Direktor an (sog. commis interessé). Hier liegt wiederum keine „Gesellschaft“
im Rechtssinn vor. Zwar ist ein Vertrag zwischen J. und K. abgeschlossen, und ein ge-
meinsamer Zweck, die Erzielung eines möglichst hohen Reingewinns in der Fabrik, fehlt nicht;
auch ist nicht zu bezweifeln, daß Direktor K. sich in dem Anstellungsvertrage rechtsver-
bindlich verpflichtet hat, diesen gemeinsamen Zweck zu fördern. Dagegen fehlt eine gleich-
artige Verpflichtung auf Seiten des Fabrikbesitzers J. Es ist demnach insoweit keine Gegen-
seitigkeit vorhanden. Wird also der ganze Gewinn eines Jahrs durch leichtsinnige Speku-
lationen verschlungen, die entweder J. oder unter Mißbrauch einer ihm von J. erteilten
Vollmacht K. unternimmt, so ist zwar K. dem J. schadensersatzpflichtig, nicht aber J. dem K.
IV. L. hat dem M. ein Landgut verpachtet; als Pachtzins sind 12 % des Rohertrages des
1) R. 74 S. 34; 73 S. 287, 433.
2) Siehe RE. 57 S. 177; Crome, partiarische Rechtsgeschäfte (97) S. 156.