Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 279. Veräußerung und Pfändung von Gesellschafterrechten. 459 
aa) Bei Gesellschaften, die für unbestimmte Zeit eingegangen sind und für 
die auch eine bestimmte Kündigungsfrist nicht festgesetzt ist, kann jeder Gesell- 
schafter zu jeder Zeit nach Willkür kündigen (723 1 Satz 1). 
60 Bei Gesellschaften, die für unbestimmte Zeit eingegangen sind, für die 
aber eine bestimmte Kündigungsfrist festgesetzt ist, kann eine willkürliche Kün- 
digung nur unter Einhaltung der Frist erfolgen. Dagegen ist, sobald ein wich- 
tiger Grund vorliegt, eine Kündigung jederzeit zulässig, ohne daß die festgesetzte 
Frist eingehalten werden müßte (723 1 Satz 3). 
5)) Bei Gesellschaften, die für bestimmte Zeit eingegangen sind, ist eine 
willkürliche Kündigung ganz unzulässig. Dagegen kann die Kündigung auch 
hier zu jeder Zeit erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (723 1 Satz 2). 
6) Ist eine Gesellschaft für die Lebenszeit eines Gesellschafters einge- 
gangen, so kann sie in gleicher Weise gekündigt werden wie eine für unbe- 
stimmte Zeit eingegangene Gesellschaft; dasselbe gilt, wenn eine Gesellschaft 
für bestimmte Zeit eingegangen ist, aber nach dem Ablauf der Zeit fortgesetzt 
wird (724). 
Beispiele. Die Gesellschaft A. ist 1902 so gegründet, daß sie bis 1. April 1912 un- 
kündbar ist, von da ab aber mit dreimonatiger Frist aufgekündigt werden kann. I. Hier 
kann der Gesellschafter B. die Gesellschaft am 17. Mai 1912 auf den 17. August 1912 ohne 
jede Grundangabe kündigen. II. Will er dagegen schon am 1. April 1910 auf den 1. Juli 
1910 oder am 17. Mai 1912 auf sofort kündigen, so muß er die Kündigung durch einen 
wichtigen Grund motivieren. Als solcher Grund wird z. B. gelten, 1. wenn B. allein oder 
mit den andern Gesellschaftern zur Führung der Gesellschaftsgeschäfte berufen ist, die Tat- 
sache, daß ihm durch den plötzlichen Selbstmord seines Sohnes für lange Zeit alle Arbeits- 
freudigkeit genommen ist, (während diese Tatsache nicht ausreichen würde, wenn B. von der 
Geschäftsführung ausgeschlossen wäre); 2. die Tatsache, daß der Mitgesellschafter C. dem B. 
offensichtlich den Gruß verweigert, und zwar selbst dann, wenn B. den C. durch grobe Be- 
leidigungen hierzu veranlaßt hat; 3. die Tatsache, daß der Betrieb des Gesellschaftsgeschäfts 
nur sehr wenig rentabel ist; 4. die Tatsache, daß auf dem Mitgesellschafter D. der schwere, 
wenn schon vielleicht unbegründete Verdacht der Untreue gegen die Gesellschaft liegt. 
6) Die Kündigung, sowohl die willkürliche wie die motivierte, soll „nicht 
zur Unzeit“ erfolgen, es sei denn, daß ein wichtiger Grund einen Aufschub 
nicht gestattet; eine unzeitige Kündigung ohne solchen Grund ist zwar gültig, 
verpflichtet aber den kündigenden Gesellschafter zu Schadensersatz an die andern 
Gesellschafter (723 I). 
Beispiel. Die Gesellschaft A., bei der über Zeitdauer und Kündigungsfrist nichts aus- 
gemacht ist, wird mitten im Geschäftsjahr von dem Gesellschafter B., der zum alleinigen 
Geschäftsführer bestellt war, auf sofort gekündigt, weil plötzlich herausgekommen ist, daß der 
Mitgesellschafter C. die Ehefrau B.3 zum Ehebruch verführt hat; damit setzt er die Gesell- 
schaft in die allergrößte Verlegenheit, da gerade jetzt eine Reihe wichtiger und eiliger Ge- 
schäfte zu erledigen sind und die Einholung der Zustimmung aller andern Gesellschafter, die 
nunmehr — nach Auflösung der Gesellschaft — plötzlich notwendig geworden ist (s. unten 
S. 463 a), zuviel Zeit erfordert. Hier muß B. zwar nicht dem C., aber doch den drei andern 
unschuldigen Mitgesellschaftern wegen der Unzeitigkeit seiner Kündigung Schadensersatz leisten. 
Denn so wichtig der Grund war, der den B. zur Kündigung veranlaßte, so war er doch 
nicht wichtig genug, um es zu rechtfertigen, daß B. mit seiner Kündigung nicht wenigstens 
zwei oder drei Tage gewartet hat.
	        
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