Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

5 291. Gesamtberechtigung. 481 
dünken sogar einen der geduldigeren Genossen bevorzugen, indem er die Er- 
füllung einem von ihnen freiwillig anbietet (428). 
c) Wohl aber erlöschen die Ansprüche sämtlicher Gläubiger, wenn auch 
nur einer von ihnen befriedigt wird, sei es nun kraft freien Willens des 
Schuldners, sei es im Wege der Zwangsvollstreckung; denn obschon jeder der 
Gläubiger die geschuldete Leistung fordern kann, soll der Schuldner sie schließ- 
lich doch nur einmal leisten (428). Als Befriedigung des Gläubigers gilt nicht 
Bloß die eigentliche Erfüllung der dem Schuldner obliegenden Pflicht, sondern 
auch die Leistung an Erfüllungs Statt und die Hinterlegung (429 III, 422). 
Ebenso die Aufrechnung: wenn dem Schuldner gegen einen der Gläubiger eine 
Gegenforderung zusteht, so kann er sie auf die ganze Gesamtforderung auf- 
rechnen (429 III, 422 1); selbstverständlich muß er aber die Aufrechnung 
gerade dem Gläubiger erklären, der zugleich sein Schuldner ist. 
Außerdem wird der Befriedigung gleichgestellt: 1. der Erlaß, den einer der Gesamt. 
gläubiger mit dem Schuldner vereinbart, vorausgesetzt, daß der Gläubiger dem Schuldner 
wirklich dessen ganze Verpflichtung erlassen und nicht bloß auf seine eignen persönlichen An- 
sprüche verzichten will; 2. der Umstand, daß Forderung und Schuld sich in der Person eines 
Gesamtgläubigers vereinigen (429 III, 423, 429 Il). 
d) Hiernach hat der einzelne Gesamtgläubiger, anders als ein bloßer 
Teilgläubiger, auf die Ansprüche der Mitgläubiger den allergrößten Einfluß. 
Doch ist dieser Einfluß mit den zu c festgestellten Regeln erschöpfend bestimmt. 
Darüber hinaus ist jeder Gesamtgläubiger von dem andern unabhängig. Ins- 
besondre kann jeder Gesamtgläubiger zwar den Schuldner durch Mahnung in 
Verzug setzen, durch Kündigung die Schuld fällig machen, durch Klagerhebung 
oder Erwirkung eines Anerkenntnisses die Verjährung unterbrechen usw. Aber 
die übrigen Gläubiger werden hierdurch nicht berührt, weder zu ihrem Vor- 
teil noch zu ihrem Nachteil; ihnen gegenüber kommt der Schuldner nicht in 
Verzug, wird die Schuld nicht fällig, läuft die Verjährung fort (429 III, 425). 
Nur in einer Beziehung müssen unter dem Fehler, den einer der Gläubiger macht, alle 
seine Genossen leiden: sie alle gelten als säumig, wenn auch nur einer von ihnen in An- 
nahmeverzug gerät (429 0). 
e) Im Zweifel kann jeder Gesamtgläubiger sein Gläubigerrecht an eine 
andre Person abtreten; diese rückt dann einfach in seine Stelle ein und hat 
kein schlechteres, aber auch kein besseres Recht als er (429 III). 
1) Im Verhältnis untereinander sind, soweit nicht ein andres bestimmt 
ist, alle Gläubiger zu gleichen Anteilen berechtigt (430). Ein Gläubiger, der 
die volle Leistung vom Schuldner bekommen, muß also jedem Mitgläubiger 
einen Teil des Empfangenen oder seines Werts herausgeben. 
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