Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 302. Eingetragener Verein. Liquidation. 513 
2. Dagegen findet in allen andern Fällen der Auflösung zunächst eine 
Liquidation des Vereinsvermögens statt (47), und der Verein dauert bis 
zum Schluß dieser Liquidation mit der bisherigen juristischen Persüönlichkeit 
wenigstens insoweit fort, als die Zwecke der Liquidation es erfordern (49 I). 
Er ist also in Wahrheit bis zum Schluß der Liquidation gar nicht „aufgelöst" 
oder seiner Rechtsfähigkeit beraubt, sondern nur aus einem rechtsfähigen 
Verein mit voller Lebenskraft zu einem rechtsfähigen absterbenden Verein, zu 
einem eingetragenen Liquidationsverein geworden. 
a) Für diese Liquidation gelten im allgemeinen folgende Regeln. 
a Die Liquidation wird von sogenannten Liquidatoren besorgt. 
Regelmäßig sind diese mit den letzten Vorstandsmitgliedern identisch; es können 
aber nach den für die Besetzung des Vorstandes maßgebenden Vorschriften 
(oben S. 497) auch andre Personen zu Liquidatoren bestellt werden (48 1). 
Sie haben im allgemeinen dieselben Rechte und Pflichten wie bisher der Vor- 
stand (48 II), sind aber nach zwei Richtungen hin ungünstiger gestellt als 
dieser. 
aa) Erstens ist ihre Geschäftsführungsbefugnis und ihre Vertretungsmacht 
durch die Zwecke der Liquidation begrenzt, so daß sie neue Geschäfte für den 
Verein grundsätzlich nur dann vornehmen dürfen, wenn es zur Beendigung 
alter schwebender Geschäfte nötig ist (48 II, 49 I Satz 2). 
60) Zweitens dürfen, wenn mehrere Liquidatoren vorhanden sind, diese 
ihre Beschlüsse nicht durch Mehrheit, sondern müssen sie einstimmig fassen, es 
sei denn, daß die Satzung oder ein Beschluß der Mitgliedergesamtheit ein 
andres bestimmt (48 III). 
Beispiele. I. Der Vorstand eines Vereins bestand bisher aus dem einzigen A.; der 
Verein hat durch die ungeschickte Geschäftsführung A.s sein ganzes Vermögen bis auf ein 
Haus verloren; er beschließt deshalb seine Auflösung und gibt sich der Hoffnung hin, durch 
einen alsbald zu wählenden tüchtigen Liquidator das Haus zu einem hohen Preise zu ver- 
kaufen: in der Versammlung, die zur Wahl des Liquidators einberufen ist, überrascht A. 
den Verein mit der Mitteilung, daß er tags zuvor von B. ein sehr günstiges Angebot auf 
das Haus erhalten und sofort angenommen habe; in Wahrheit hat aber A. mit der An- 
nahme dieses Angebots lediglich einen neuen Beweis für seine Unfähigkeit geliesert. Hier 
ist der Verkauf des Hauses an B. für den Verein verbindlich; denn er diente dem Liqui- 
dationszweck, und A. war deshalb, da er zurzeit noch Liquidator war, dazu wohl befugt. 
II. Derselbe Fall; nur gehörten zum Vorstande außer A. noch C. und D.; der Verkauf an 
B. ist in einer Vorstandssitzung von A. und D. gegen die Stimme C.s beschlossen. Hier 
ist der Verkauf für den Verein unverbindlich. III. In dem zu I. genannten Fall hat A. 
in seiner Einfalt für den Verein ein an das Vereinshaus angrenzendes Grundstück für 
einen übermäßigen Preis zugekauft. Hier ist dieser Kauf, wenn er erst vorgenommen wurde, 
als die Auflösung bereits beschlossen war, für den Verein unverbindlich, weil er nicht dem 
Zweck der Liquidation diente. Doch gilt eine Ausnahme, wenn A. den Kauf bloß vor- 
genommen hat, weil er annahm, das Vereinshaus würde mit dem zugekauften Grundstück 
leichter verkauft werden können; denn alsdann fiel der Kauf wirklich in den Rahmen des 
Liquidationszwecks. Ob der Verkäufer in die Absichten A.s eingeweiht war und ob das 
Haus später tatsächlich zusammen mit dem zugekauften Grundstück verkauft wird oder nicht, 
ist gleichgültig. 
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