Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

526 Buch VI. Das Recht der juristischen Personen. 
Bayern schreibt das Ansallsrecht regelmäßig dem Fiskus, bei kirchlichen Stiftungen der 
Kirche, Württemberg, Hessen usw. schreiben es immer dem Fiskus zu (AusfGes. Bayern 5, 
Württemb. 138, Hessen 9); in Sachsen soll das zuständige Ministerium über das Schicksal 
des Stiftungsvermögens von Fall zu Fall frei entscheiden (sächs. V. v. 6G. Juli 99 § 7). 
b) Die Familienstiftungen des preußischen Rechts. 
§ 307. 
I. Eine Familienstiftung des preußischen Rechts ist eine rechts- 
fähige privatrechtliche Stiftung, die nach der Stiftungsurkunde ausschließlich 
dem Interesse der Mitglieder einer bestimmten Familie dient (AusfGes. 1 § 1). 
II. Für diese Familienstiftung gelten in Abänderung der im vorigen 
Paragraphen dargestellten stiftungsrechtlichen Regeln eine Reihe wichtiger 
Sondervorschriften. Sie sind zum Teil so eingreifend, daß man bezweifeln 
kann, ob die sogenannte Familienstiftung wirklich eine Stiftung und nicht viel- 
mehr ein Verein ist. 
1. Für die staatliche Genehmigung der Familienstiftung ist regelmäßig 
das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Stiftung ihren Sitz haben soll; 
die Genehmigung darf nicht willkürlich, sondern nur dann versagt werden, 
wenn die vom Stifter aufgestellte Satzung undeutlich gefaßt ist (Ausf Ges. 1). 
2. Die Erwerbsbeschränkungen, denen andre Stiftungen unterliegen, sind 
den Familienstiftungen erspart (AussGes. 6 § 4, 7 § 1). 
3. Außer dem Stiftungsvorstande hat jede Familienstiftung ein zweites 
obligatorisches Organ, nämlich die Familie, zu deren Gunsten die Stiftung er- 
richtet ist. Wenn die Satzung nichts andres bestimmt, werden zu der Familie 
auch die entferntesten Angehörigen gerechnet, ohne Rücksicht auf Geschlecht und 
Alter; minderjährige und nicht voll geschäftsfähige Mitglieder werden durch 
ihre gesetzlichen Vertreter vertreten; die Abstimmung erfolgt in einem gericht- 
lichen Termin oder schriftlich; jeder Beschluß muß einstimmig gefaßt werden 
und bedarf der Genehmigung des Amtsgerichts; das Gericht darf die Ge- 
nehmigung aber nur verweigern, wenn die Abstimmung nicht ordnungsmäßig 
erfolgt ist (preuß. AusfGes. 2). Die Familie ist zuständig, durch ihre Be- 
schlüsse sowohl die Satzung der Stiftung zu ändern wie die Stiftung ganz 
aufzuheben, selbst wenn die Satzung das Gegenteil bestimmt (Auss Ges. 2). 
4. Eine Anderung der Satzung ohne Zustimmung der Familie kann nur 
nach den für alle Stiftungen geltenden reichsrechtlichen Regeln, also nur in 
Ausnahmesällen erfolgen; zuständig ist der Justizminister; das nämliche gilt 
für die Aufhebung der Stiftung (87; AusfGes. 4; V. v. 16. Nov. 1899 
Art. 5 II).
	        
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