Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

8 311. Verlöbnis. Verlobung. 533 
maßgebend. 3. Die Verlobung kann unter der aufschiebenden Bedingung abgeschlossen werden, 
daß der Bräutigam sein Examen besteht; der Ausschluß von Bedingungen bei der Ehe- 
schließung (1317 I.) ist auf die Verlobung nicht zu übertragen. 
III. Das Verlöbnis endigt mit der Eheschließung der Verlobten. Außer- 
dem wird es durch den Tod eines Verlobten, durch eine Vereinbarung der 
Verlobten sowie dadurch aufgelöst, daß ein Verlobter dem andern mit oder 
ohne Grund seinen Rücktritt vom Verlöbnis erklärt.“ 
IV. 1. Die Hauptwirkung des Verlöbnisses ergibt sich unmittelbar aus 
seinem Begriff: sie besteht darin, daß die Verlobten verpflichtet sind, in einer 
den Umständen angemessenen Frist miteinander die Ehe einzugehn. 
Doch erschöpft sich hierin die Wirkung des Verlöbnisses nicht vollständig. Vielmehr 
haben die Verlobten außerdem die Pflicht, ihre künftige Ehe in angemessener Art vorzubereiten. 
Daraus folgt, daß die Verlobten schon während des Brautstandes zu einer gewissen Lebens- 
gemeinschaft verbunden sind:" ist doch die „bräutliche“ Lebensgemeinschaft zur Vorbereitung 
der Ehe oft genug unentbehrlich, da sie die Probe dafür abgeben soll, ob die Verlobten für 
die dereinstige „eheliche“ Lebensgemeinschaft taugen. 
2. Die aus dem Verlöbnis entspringenden Verpflichtungen sind aber von 
zartester Natur. Deshalb gestattet es das Gesetz den Verlobten nicht, einander 
auf Erfüllung ihrer Verlobtenpflichten zu verklagen (s. 1297 1), geschweige denn 
sie im Wege der Zwangsvollstreckung zu erzwingen (s. ZBPO. 888 II, 894 II). 
Ja es ist sogar das Versprechen einer Vertragsstrafe für den Fall, daß ein 
Verlobter das Eheversprechen nicht einhält, nichtig (1297 II). 
3. a) Trotzdem sind die Verlobtenpflichten wirkliche Rechtspflichten. Denn 
wenn einer der Verlobten sie gröblich verletzt und dadurch den andern Ver- 
lobten zum Rücktritt vom Verlöbnis bestimmt oder wenn er selber von dem 
Verlöbnis zurücktritt, ohne daß sein Rücktritt durch einen wichtigen Grund 
gerechtfertigt wird, ist er schadensersatzpflichtig (1298, 1299).“ 
Beispiele. Eine Braut tritt vom Verlöbnis zurück, weil sie erfährt, daß ihr Bräutigam 
vor der Verlobung mit Dirnen verkehrt hat. I. Hier ist die Braut ersatzpflichtig, wenn der 
Dirnenverkehr des Bräutigams einer längst vergangenen Zeit angehört; denn hier fehlt es 
an einem zureichenden Grunde für den Rücktritt. II. Umgekehrt ist der Bräutigam ersatz- 
pflichtig, wenn er den Verkehr mit den Dirnen noch bis zur Verlobung betrieben und trotzdem 
der Braut seine Tugendhaftigkeit beteuert hat; denn hier ist der Rücktritt durch eine schwere 
Verletzung der Verlobtenpflichten seitens des Bräutigams gerechifertigt. III. Hat endlich der 
Bräutigam den Dirnenverkehr bis zur Verlobung betrieben, aber der Braut gleich nach der 
Verlobung gebeichtet, so ist weder Bräutigam noch Braut ersatzpflichtig; denn hier ist der 
Rücktritt durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt, ohne daß der Bräutigam seine Verlobten- 
Ppflichten verletzt hätte. 
b) Der Schadensersatz, den bei Auflösung des Verlöbnisses einer der 
Verlobten zu leisten hat, umfaßt das negative pekuniäre Vertragsinteresse des 
andern Verlobten, nämlich den Schaden, den dieser dadurch erleidet, daß er in 
Erwartung der Ehe irgendwelche sein Vermögen oder seine Erwerbsstellung 
4) Stutz S. 782. 
5) Stutz S. 47. Vgl. Dittenberger S. 56, 113. 
6) RG. 58 S. 254.
	        
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