538 Buch VII. Abschnitt 2. Das Eherecht.
falls kann er über zweifelhafte Punkte eine eidesstattliche Versicherung der
Verlobten einfordern (RGes. v. 6. Febr. 1875 8 45).
Beispiel. Es steht im Belieben des Standesbeamten, ob er von einer zwanzigjährigen
Braut die eidesstattliche Versicherung einfordert, daß sie noch nicht anderweit verheiratet ist,
oder dies als selbstverständlich annimmt.
3. a) Der Eheschließung soll regelmäßig ein Aufgebot, d. h. eine öffent-
liche Ankündigung der Eheschließung vorausgehn, damit etwaige Ehehindernisse
leichter ermittelt werden können; das Aufgebot ist von dem zuständigen
Standesbeamten zu erlassen (1316; EG. 46 II § 44; RGes. v. 6. Febr. 1875
88 44 ff.).
Das Aufgebot ist in sämtlichen Gemeinden, in denen Bräutigam oder Braut in den
letzten sechs Monaten ihren Wohnsitz gehabt haben, durch Anschlag bekannt zu machen; hat
einer der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt zurzeit in einer andern Gemeinde als
der seines Wohnsitzes, so soll der Anschlag auch hier geschehn: liegt eine der Gemeinden im
Auslande, so tritt an Stelle des Anschlages in dieser Gemeinde die Bekanntmachung durch
die Zeitung (RGes. v. 1875 §§ 46, 47). Das Aufgebot gilt als vollzogen, wenn seit Aus-
führung aller dieser Bekanntmachungen vierzehn Tage verstrichen sind (RGes. v. 1875 8§ 46, 47).
Die Eheschließung darf nur innerhalb sechs Monaten seit dem Aufgebot erfolgen; soll
sie später von statten gehn, so ist das Aufgebot zu wiederholen (1316 1 Satz 2).
b) Von dem Erfordernis des Aufgebots kann im Einzelfall Befreiung
bewilligt werden; zuständig ist in Preußen regelmäßig der Regierungspräsident;
ist einer der Verlobten lebensgefährlich erkrankt, so bedarf es einer Befreiung
nicht, der Standesbeamte kann vielmehr das Aufgebot eigenmächtig unterlassen
(1316 II, III; 1322 II; EG. 46 II § 50; pr. Verordn. v. 12. Juli 1810).
4. Bei der Eheschließung soll der Erklärung der Verlobten eine Frage
des Standesbeamten vorausgehn und eine Verkündung des Standesbeamten
folgen; die Frage des Standesbeamten, die an beide Verlobten einzeln und
nacheinander gerichtet werden soll, geht dahin, ob sie „die Ehe miteinander
eingehn wollen“; die Verkündung des Standesbeamten hat zum Inhalt, daß
die Verlobten „kraft des bürgerlichen Gesetzbuchs nunmehr rechtmäßig ver-
bundene Eheleute seien“ (1318 1). Außerdem soll der Standesbeamte die Ehe
in das von ihm amtlich geführte „Heiratsregister“ eintragen (1318 III).
5. Die Erklärung der Verlobten soll eine ausdrückliche sein, nämlich in
der Bejahung der ihnen vom Standesbeamten vorgelegten Frage bestehn;
auch sollen die Verlobten die Eintragung ihrer Eheschließung im Heiratsregister
unterzeichnen (1318 1; Res. v. 6. Febr. 1875 § 13 Nr. 5).
Beispiel. In dem oben zu 1, 1 genannten Fall II soll der Standesbeamte die Er-
klärung der Brautleute „daß sie sich hiemit verheiraten“ zurückweisen und darauf bestehn,
daß sie beide seine nach der Regel zu 4 formulierte Frage vorbehaltlos bejahn.
6. Bei dem ganzen Eheschließungsakt sollen zwei Zeugen gegenwärtig
sein; als Zeugen sollen Personen, die der bürgerlichen Ehrenrechte für ver-
lustig erklärt sind, sowie Minderjährige nicht zugezogen werden, während es
nichts schadet, wenn die Zeugen mit den Verlobten oder mit dem Standesbeamten
oder untereinander verwandt sind; die Zeugen haben die Eintragung im Heirats-