§ 314. Zwang bei Eheschließung. § 315. Nichtige Ehen. 545
Glauben, die Heirat sei gültig, weil der Standesbeamte eine Eheschließungsbescheinigung im
voraus ausgestellt und ihnen eingehändigt hat; daß die Eheschließung nicht im Heiratsregister
eingetragen ist, beachten sie nicht.
2. Daß eine Nicht-Ehe keine Ehe sei, kann von jedem Interessenten in
jeder beliebigen Art zu jeder Zeit geltend gemacht werden; die Erhebung einer
besondern Nichtigkeitsklage ist unnötig (s. 1329 Satz 2).
3. Die Nicht-Ehe hat keine der Wirkungen einer Ehe, mag sie auch von
beiden Beteiligten für eine Ehe gehalten worden sein („Putativehe'“).
Deshalb können beide sich anderweit verheiraten; ihre Vermögensverhältnisse
werden nicht nach ehelichem Güterrecht bestimmt; auch dritten Personen gegen-
über gelten sie zu deren Vorteil oder Nachteil als unverheiratet (1329 Satz 2,
1345 II, 1699 II, 1344 II, 1771 10.
4. Eine Nicht-Ehe kann niemals in eine Ehe verwandelt werden; denn
selbst wenn die Beteiligten die für die Eheschließung wesentlichen Formvor-
schriften nachträglich erfüllen, gelten sie als Eheleute erst von nun ab: die
Nachholung der Formalien hat also keine rückwirkende Kraft.
II. 1. Die Verbindung von Mann und Weib ist eine Scheinehe in
folgenden vier Fällen (1323—1328):
a) Bei der Verbindung sind die für die Eheschließung geltenden wesent-
lichen Formvorschriften gar nicht oder nur unvollständig eingehalten, die Ver-
bindung ist aber trotzdem — versehentlich oder aus bösem Willen — vom
Standesbeamten als Ehe in das Heiratsregister eingetragen.
b) Einer der Gatten war zur Zeit der Eheschließung geschäftsunfähig oder
vorübergehend bewußtlos oder geistig gestört.
I) Einer der Gatten lebte zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten
in einer gültigen Ehe.
d) Zwischen den Gatten besteht das Ehehindernis der Verwandtschaft oder
Schwägerschaft oder das Ehehindernis des Ehebruchs.
2. a) Die Scheinehe ist nichtig; ihre Nichtigkeit kann aber anfangs nicht
von jedermann geltend gemacht werden, sondern nur: I. von jedem Schein-
gatten, ohne Rücksicht darauf, ob ihm bei der Eheschließung die Nichtigkeit
der Ehe unbekannt gewesen ist oder nicht; II. im öffentlichen Interesse vom
Staatsanwalt; III. von jedem Dritten, für den von der Nichtigkeit der Ehe
ein Recht oder von der Gültigkeit der Ehe eine Pflicht abhängt; IV. im Fall
der Doppelehe von dem andern Gatten der ersten Ehe (ZPO. 632).
b) Erst wenn die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt oder
wenn sie durch den Tod eines Gatten, durch Scheidung usw. aufgelöst ist, kann
ihre Nichtigkeit von jedermann geltend gemacht werden (s. 1329).
Beispiel. A. hat sich, nachdem er wegen eines mit der B. begangenen Ehebruchs von
seiner Ehefrau C. geschieden ist, mit der B. verheiratet; die B. klagt nun auf Ausstattung
gegen D., da dieser testamentarisch verpflichtet ist, ihr im Fall ihrer Verheiratung eine Aus-
stattung zu gewähren; nach A.S Tode verlangt dessen Sohn erster Ehe E. von der B. die
Herausgabe des väterlichen Nachlasses, die B. verweigert aber die Herausgabe, da sie als
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