556 Buch VII. Abschnitt 2. Das Eherecht.
in diesem weiten Bereich jedem der Gatten eine eigentümliche Herrschaft zu:
dem Mann die eheherrliche Gewalt, der Frau die Schlüsselgewalt
(L. 1354, 1356).
III. 1. Die Schlüsselgewalt der Frau enthält die Rechtsmacht, den Mann
Dritten gegenüber in allen dieser Gewalt unterworfenen Vermögensangelegen-
heiten rechtsgeschäftlich zu vertreten, es sei denn, daß der Mann der Frau
diese Vertretungsmacht ausdrücklich entzogen hat; die Frau ist also im Bereich
der Schlüsselgewalt die gesetzliche Vertreterin des Mannes (s. 1357).
2. Dagegen enthält die eheherrliche Gewalt des Mannes eine Rechtsmacht,
die Frau Dritten gegenüber zu vertreten, in keiner Weise; der Mann erfreut
sich also im Verhältnis zur Frau auch nicht der bescheidensten gesetzlichen
Vertretungsmacht: will er im Namen der Frau auftreten, so muß er sich von
ihr besonders bevollmächtigen lassen.
Anders Biermann: der Mann habe wenigstens passive Vertretungsmacht, da einseitige
Erklärungen Dritter in Ansehung des eingebrachten Frauenguts an seine Adresse gerichtet
werden können. 5 Aber wo steht geschrieben, daß diese Erklärungen an den Mann „als den
Vertreter der Frau“ zu richten seien?
IV. Die Lebensgemeinschaft, die die Gatten sich schulden, und die Herr-
schaft, die jeder der Gatten im Bereich dieser Lebensgemeinschaft führt, kann
in gewissen Ansnahmefällen wesentlich beschränkt werden, sei es kraft Gesetzes,
sei es durch Anordnung des Prozeß= oder des Vormundschaftsgerichts, sei es
durch eine Vereinbarung der Gatten, sei es durch einseitige Bestimmung des
Mannes. Ooch kann auf die einzelnen hierher gehörigen Fälle erst später ein-
gegangen werden. Erwähnt sei hier nur der Fall, daß eine Angelegenheit, die
um der ehelichen Lebensgemeinschaft willen regelmäßig von beiden Gatten ge-
meinsam erledigt werden muß, keinen Aufschub verträgt, einer der Gatten aber
durch Abwesenheit oder Krankheit an rechtzeitiger Mitwirkung behindert ist:
in einem solchen Fall — wir wollen ihn der Kürze halber Eilfall nennen —
wird entweder die Erledigung der Angelegenheit dem nicht behinderten Gatten
allein übertragen, oder es wird gestattet, daß die Mitwirkung des behinderten
Gatten durch einen Beschluß des Vormundschaftsgerichts ersetzt wird (1358 II,
1379 II, 1401 usw.).
V. Bei der Erfüllung aller Einzelpflichten, die sich aus der ehelichen
Lebensgemeinschaft für die Gatten gegenseitig Tag für Tag ergeben, haftet
jeder Gatte nur für die Sorgfalt, die er in eignen Angelegenheiten anzuwenden
pflegt (1359).
VI. Über der eheherrlichen Gewalt des Mannes steht die amtliche Gewalt
des Vormundschaftsgerichts. Doch macht das Gericht von seiner Ge-
walt nur auf Antrag Gebrauch, nämlich auf Antrag des Mannes, wenn die
eheherrliche Gewalt gegen die Frau in besonders empfindlicher Weise ausgeübt,
5) Biermann, z. L. v. d. Vertretung (00) S. 11.