*318. Eheherrliche Gewalt des Mannes. 559
6) Das Gericht darf zweitens den Mann auf dessen Antrag zur Auf-
lösung des Vertrages ermächtigen. Dies ist allgemein zulässig, es sei denn,
daß das Gericht selber zuvor die Frau zu dem Vertragsschluß ermächtigt
hatte; weist der Mann nach, daß der Vertrag die ehelichen Interessen beein-
trächtigt, so ist das Gericht sogar verpflichtet, die Ermächtigung zu erteilen;
die Wirkung der Ermächtigung ist, daß der Mann den Vertrag ohne Ein-
haltung einer Kündigungsfrist aufkündigen kann, ohne daß der Dritte auch
nur einen Anspruch auf Schadensersatz hätte (1358 1).
Beispiel. Eine verheiratete Schriftstellerin will vertragsmäßig auf fünf Jahre die
Redaktion einer Zeitschrift übernehmen; der Mann widerspricht, da ihm alle weibliche Schrift-
stellerei unsympathisch sei; das Vormundschaftsgericht hält aber diesen Widerspruch für un-
billig, weil die Frau bereits ein ungewöhnliches Talent zu literarischer Tätigkeit bewiesen
und der Mann ihr eine Vernachlässigung des Hauswesens nicht vorgeworfen habe; es er-
mächtigt deshalb die Frau zur Übernahme der Redaktion. Hier kann der Mann den Vertrag
der Frau nicht kündigen, mag sich auch bald herausstellen, daß die Frau mit dem Augenblick,
da sie die Redaktion übernahm, alles Interesse für ihr Hauswesen verloren hat.
e) Faßt man die vorstehenden Regeln zusammen, so ist als ihr Ergebnis
zu bezeichnen: eine Ehefrau als solche ist unmündig; als Vormund ist ihr von
Gesetzes wegen der Ehemann bestellt. Allerdings ist kein Zweisel darüber,
daß die Vormundschaft des Ehemanns über seine Frau von andrer Art ist
als die eines gewöhnlichen Vormundes über seinen Mündel. Denn jene steht
im Dienst der Gemeinschaft beider Gatten, kann also von dem Ehemann un-
bedenklich auch in seinem eignen Interesse ausgeübt werden, während diese nur
um des Mündels willen da ist und eine egoistische Ausübung durch den Vor-
mund niemals gestattet. Auch ist der Ehemann, wie wir früher sahen, nicht
der gesetzliche Vertreter der Frau. So kommt es, daß, wenn eine Ehefrau
elternlos und minderjährig ist oder wenn sie entmündigt wird, außer der ehe-
herrlichen noch eine gewöhnliche Vormundschaft für sie eingerichtet werden
muß. Alle diese Verschiedenheit kann uns aber nicht hindern, zu erkennen,
daß die Gewalt des Ehemanns über seine Frau und die Gewalt eines gewöhn-
lichen Vormundes über seinen Mündel nur Unterarten eines einheitlichen Be-
griffs familienrechtlicher Herrschaft sind, wie denn auch beide Gewalten ge-
schichtlich einer einzigen Wurzel, der altdeutschen „Munt", entsprungen sind.
Es steht nichts im Wege, diese familienrechtliche Herrschaft „Vormundschaft"
in weiterem Sinn zu nennen. 7
2. Neben dem Mann kommt im Bereich der persönlichen Lebensgemein-
schaft auch der Frau zwar nicht eine führende, aber doch immerhin eine selb-
ständige Rolle zu: kraft ihrer Schlüsselgewalt steht die Frau unter der oberen
Leitung des Mannes dem gemeinsamen „Hauswesen"“, d. h. allen denjenigen
Angelegenheiten vor, die durch die Sitte der hausfräulichen Fürsorge zugeteilt
sind (1356 1); das will besagen, daß zwar auch im Hauswesen die Ent-
6) Lilienthal, Kündigungsrecht des Mannes aus BG. 1358 (08).
7) Abw. Stutz, Rechtsnatur d. Verlöbnisses S. 53; Opet S. 91; Wieruszowski 1 S. 19.
Cosac, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. II. 36