Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

562 Buch VII. Abschnitt 2. Das Eherecht. 
Ehe zum Gegenstande hat, so kann das Prozeßgericht die Unterhaltspflicht der Gatten nach 
Maßgabe der vorstehenden Regeln durch einstweilige Verfügung genauer ordnen. 
3. Sehr oft besteht eine Unterhaltspflicht zwischen den Gatten auch nach 
rechtskräftiger Scheidung ihrer Ehe: es ist nämlich, wenn bei der Scheidung 
einer der Gatten allein für schuldig erklärt ist, dieser oder, wenn eine Schuldig- 
erklärung gegen keinen der Gatten ausgesprochen ist, der Kläger unterhalts- 
pflichtig; dagegen fällt die Unterhaltspflicht der Gatten fort, wenn sie alle 
beide für schuldig erklärt sind (1578, 1583). Indes ist die Unterhaltspflicht in 
den folgenden Punkten nach der Scheidung anders geregelt als vorher. 
a) Nicht bloß der Unterhaltsanspruch des Mannes gegenüber der Frau, 
sondern auch der Unterhaltsanspruch der Frau gegenüber dem Mann setzt 
Bedürftigkeit 16 auf seiten des Berechtigten voraus (1578). 
Doch ist dabei die Frau zweifach günstiger gestellt als der Mann. 
a) Der Mann kann von der Frau, wie während der Ehe, nur dann Unterhalt fordern, 
wenn er gänzlich außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (1578 II). Er muß also, ehe er 
sich an die Frau wenden darf, sein ganzes Vermögen verbraucht haben und muß auch un- 
fähig sein, sich durch Arbeit ein ausreichendes Einkommen zu verschaffen. 
) Die Frau kann dagegen ihren Unterhaltsanspruch gegen den Mann schon dann 
geltend machen, wenn sie sich zwar ihren Unterhalt selbst beschaffen kann, aber zu diesem 
Zweck ihr Kapitalvermögen angreifen oder auf Arbeit ausgehn müßte, während nach den 
bisherigen Verhältnissen der Gatten ein Erwerb der Frau durch Arbeit nicht üblich war 11; 
nur, wenn der Mann durch den der geschiedenen Frau zu gewährenden Unterhalt seinen 
eignen standesmäßigen Unterhalt gefährden würde oder wenn er außer der geschiedenen Frau 
noch ein minderjähriges unverheiratetes Kind oder im Fall der Wiederverheiratung auch die 
zweite Ehefrau zu unterhalten hat, kann er der geschiedenen Frau den Unterhalt so lange 
verweigern, als sie noch von ihrem Kapitalvermögen leben kann (1578 I, 1579 II).11 
b) Bei der Feststellung seiner Leistungsfähigkeit 15 kann der pflichtige 
Gatte von den Einkünften, die ihm nach Berücksichtigung seiner sonstigen Ver- 
pflichtungen für den beiderseitigen Unterhalt zur Verfügung stehn, soviel ab- 
ziehn, als er für den eignen notdürftigen Unterhalt braucht; ja wenn der 
Abzug nicht mehr als zwei Drittel der verfügbaren Einkünfte ausmacht, kann 
er sogar soviel abziehn, als sein eigner standesmäßiger Unterhalt erfordert: 
er darf also den eignen Unterhalt vor dem Unterhalt des geschiedenen Gatten 
bevorzugen (1579 I). Muß der pflichtige Gatte einem minderjährigen un- 
verheirateten Kinde oder im Fall der Wiederverheiratung dem neuen Ehegatten 
Unterhalt gewähren, so sind ihm im Rahmen der Billigkeit unter Berücksichtigung 
der Bedürfnisse sowie der Vermögens= und Erwerbsverhältnisse sämtlicher Be- 
teiligten noch weitere Abzüge gestattet (1579 1; s. auch 1581 II, 1604). 
c) Soweit es die Leistungsfähigkeit des pflichtigen Gatten erlaubt, kann 
der andre Gatte den seinem Stande entsprechenden Unterhalt fordern; nur 
wenn er durch eignes sittliches Verschulden bedürftig geworden ist, muß er 
sich mit notdürftigem Unterhalt begnügen (1578, 1580 III, 1611 I). 
10) R. 72 S. 201. 11) RG. 62 S. 295. 
12) RG. 75 S. 125. 
13) RG. 72 S. 202, 75 S. 433.
	        
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