42 Buch III. Abschnitt 1. Das Sachenrecht im allgemeinen.
Eintragung, die nach dem Grundbuch gleichmäßig für den 1. wie für den 2. Mai gilt,
willkürlich für den 1. Mai als unrichtig, für den 2. Mai als richtig behandeln dürfte.
6) Die Fiktion „wirkt“ absolut. Denn die Verfügung oder Leistung, zu
deren Schutz sie eingreift, bringt ja dingliche, also absolute Rechtswirkungen
gegenüber jedermann hervor, und diese Rechtswirkungen sind, insoweit die
Verfügung oder Leistung ihre Gültigkeit nur der Fiktion verdankt, auch ihrer-
seits wenigstens mittelbar auf die Fiktion zurückzuführen.
Beispiel. A. hat ein Haus, als dessen Eigentümer im Grundbuch irrigerweise statt des
B. der C. angegeben war, durch Auflassung von dem Scheineigentümer C. erworben: er
ist also lediglich durch die Fiktion der Unfehlbarkeit des Grundbuchs Eigentümer geworden.
Hier hat das Eigentum A.# trotz seines Ursprunges aus dieser Fiktion alle absoluten
Wirkungen eines regelmäßig erworbenen Eigentums. Demnach kann A. sich auf sein Eigen-
tum auch gegenüber den Mietern des Hauses, gegenüber den Nachbarn usw. berufen. Ebenso
muß er aber auch die aus seinem Eigentum sich ergebenden Verpflichtungen erfüllen; er
muß also die Gebäudesteuern bezahlen, haftet für die auf dem Hause ruhenden Reallasten
persönlich usw.
übrigens können im Einzelfall auch die Wirkungen der Fiktion relativ abgestuft sein.
Beispiel: wenn in dem zweiten oben S. 40b genannten Fall nicht die Hypothek des II,
sondern die des III rechtsgeschäftlich auf einen neuen Gläubiger übertragen wird, so verliert
die fälschlich gelöschte Hypothek des I ihren Vorrang nur vor der Hypothek des III, behält
ihn dagegen vor der des II; die Rechtslage ist also dieselbe, wie wenn I und III den
Rang ihrer Hypotheken vertragsmäßig ausgetauscht hätten (s. oben S. 30).
d) Die Fiktion gilt nicht bloß dann, wenn die Gegenpartei den Angaben
des Grundbuchs Vertrauen geschenkt hat, auf daß ihr Glauben an das Grund-
buch nicht zu Schanden werde, sondern auch dann, wenn die Gegenpartei sich
nachweislich um das Grundbuch gar nicht gekümmert, wenn sie von den An-
gaben des Grundbuchs keine Kenntnis gehabt hat.“ Dagegen versagt sie
insoweit, als der Gegenpartei die Unrichtigkeit des Grundbuchs bekannt ge-
wesen ist (892, 893).
a) Die Kenntnis muß der Gegenpartei nachgewiesen werden.
8) Kennen müssen steht dem Kennen nicht gleich. Die Fiktion verleugnet
also ein dem Grundbuch widersprechendes materielles Rechtsverhältnis sogar
dann, wenn die Gegenpartei es nur durch grobe Fahrlässigkeit verkannt oder
übersehn hat. Ebendeshalb darf man auch nicht sagen, daß die Fiktion nur
zugunsten einer gutgläubigen Gegenpartei wirkt, da nach dem Sprachgebrauch
des bürgerlichen Gesetzbuchs eine Partei, deren Unkenntnis eine grobfahrlässige
ist, nicht als gutgläubig gilt (s. 892 einer-, 932 andrerseits).
7) Die Kenntnis der Gegenpartei kommt nur in Betracht, wenn sie in
dem Zeitpunkt vorhanden war, in dem die Verfügung oder Leistung vor-
genommen oder — wenn es sich um eine eintragungsbedürftige Verfügung
handelt — in dem die Eintragung der Verfügung beim Grundbuchamt beantragt
wurde (s. 8921, 893, 892 II). Eine später erlangte Kenntnis ist unschädlich.
Beispiele. I. 1. A. hat von B. ein Haus erworben, auf dem zehn Darlehnshypotheken
ruhn; alle diese Hypotheken sind laut Abrede vom Gläubiger mit dreimonatiger Frist künd-
bar; doch ist bei der sechsten durch einen Schreibfehler im Grundbuch die Kündigungsfrist
4) Abw. R. 61 S. 203.