618 Buch VII. Abschnitt 2. Das Eherecht.
dieser Gerade gehörte; dafür gewann sie aber auch das Eigentum aller vom
Mann eingebrachten Geradestücke.
3.n An diesem Rechtszustande ändert die Rezeption nur das eine, daß ihr
zufolge in manchen Rechtsgebieten zu den bisherigen deutschen noch ein mehr
oder minder falsch verstandenes römisches Güterrechtssystem, die Gütertrennung
des römischen Dotalrechts, hinzutrat.
Der Geltungsbereich der verschiedenen Güterrechtssysteme war gegen Ausgang des
vorigen Jahrhunderts der folgende 10:
a) Die Verwaltungsgemeinschaft galt im größeren Teile Nord= und Mitteldeutschlands,
z. B. in Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Oldenburg, Lübeck.
b) Das römische Dotalrecht galt in den altwelfischen Teilen Hannovers, in Braun-
schweig, auf dem flachen Lande in Mecklenburg, im Bistum Augsburg usw.
Te) Die allgemeine Gütergemeinschaft galt durch ganz Deutschland zerstreut, z. B. in Ost-
und Westpreußen, Posen, Westfalen, serner in Apenrade, Schleswig, Hamburg, Lüneburg,
Hildesheim, Fulda, Nördlingen, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, ferner in Stettin und
Bremen usw.
4) Die Errungenschaftsgemeinschaft galt in Altbayern, Württemberg, Nassau, Frank-
furt a. M., dem größten Teil der rechtsrheinischen Provinzen Darmstadts usw.
e) Die Fahrnisgemeinschaft galt namentlich im französischen Rechtsgebiet.
f) Ferner galt in Nürnberg bei erster Ehe allgemeine Gütergemeinschaft, bei zweiter
Ehe Errungenschaftsgemeinschaft; in Würzburg bei den Ehen der Reichsritter Gütertrennung,
bei sonstigen Ehen, wenn Kinder vorhanden, allgemeine Gütergemeinschaft, wenn keine Kinder
vorhanden, Errungenschaftsgemeinschaft; in Kassel bei den Ehen der höheren Klassen Güter-
trennung, bei den Ehen der niederen Klassen Errungenschaftsgemeinschaft; in der Stadt
Angsburg für Gewerbetreibende Errungenschaftsgemeinschaft, für andre Ehepaare Güter-
trennung; in Hechingen für Christen Gütergemeinschaft, für Juden Gütertrennung; in einem
holsteinischen Bezirk (Neumünster) während des ersten Jahres der Ehe Verwaltungs-, sodann
allgemeine Gütergemeinschaft; in der Grafschaft Erbach, wenn die Gatten einander beige-
wohnt hatten, allgemeine Gütergemeinschaft, vorher Gütertrennung (7) usw.
4. Vergleicht man die verschiedenen gesetzlichen Güterrechtssysteme des zu
Ausgang des vorigen Jahrhunderts in Deutschland geltenden Rechts mit den
gleichnamigen gesetzlichen oder vertragsmäßigen Güterrechtssystemen des bürger-
lichen Gesetzbuchs, so zeigen sich manche wichtige Unterschiede.
a) Verwaltungsgemeinschaft des preußischen Landrechts (Schlesien, Sachsen,
Ostfriesland, Teile von Brandenburg und Pommern).
a) Der Erwerb der Frau aus ihrer Arbeit und dem Betriebe eines Er-
werbsgeschäfts gehörte in Ermanglung eines Ehevertrages nicht zum Vorbehalts-,
sondern zum eingebrachten Gut der Frau.11
6) Der Mann war zur mündelsicheren Anlegung des baren Geldes der
Frau nicht verbunden, sondern konnte frei darüber verfügen; dafür trug er
aber auch die Gefahr des Geldes, sobald es in seinen Besitz gekommen war. 12
7) Auch über das sonstige eingebrachte Gut der Frau hatte der Mann
8) Schröder (4. Aufl.) S. 735. Abw. St.-Lehmann 4 § 27818. Vgl. Hübner S. 615.
9) Roth 2 S. 42.
10) Roth 2 S. 40 ff.; Neubauer, ehel. Güterrecht, 2. Aufl. (89).
11) Siehe Pr. LR. II, 1 858 219, 220.
12) Pr. LR. II, 1 88 247, 548, 550.