622 Buch VII. Abschnitt 2. Das Eherecht.
die Gültigkeit der Ehe nicht berührt. Doch ist dieser Satz nur mit einem zwiefachen Vorbe-
halt anwendbar.
a) Schreibt das zuständige Recht vor, daß die Ehe ungültig ist, ihre Ungültigkeit aber
nur in einem bestimmten Verfahren geltend gemacht werden kann, so sind für dies Verfahren
die Gesetze des Staats maßgebend, in dem das Verfahren stattfindet.
6) Schreibt das zuständige Recht vor, daß die Ehe ungültig ist, ihre Ungültigkeit aber
durch ein bestimmtes Verhalten eines der Verlobten geheilt werden kann, so tritt die Heilung
nur ein, wenn auch das Heimatsrecht dieses Verlobten die nämliche Vorschrift enthält (7).
2. a) Für die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung sind die Kollisionsnormen
einfacher als für ihre Form: maßgebend ist hier allein das Heimatsrecht beider Verlobten in
der Art, daß eine Ehe nur zulässig ist, wenn sowohl das Heimatsrecht des Bräutigams wie
das der Braut ihre Eingehung gestattet. Und zwar ist diese Kollisionsnorm ohne Rücksicht
darauf gültig, ob die Ehe im In= oder Auslande eingegangen ist, ob die Verlobten In-
oder Ausländer sind, ob sie im In= oder Auslande wohnen; freilich ist sie in einer so allge-
meinen Form weder im deutschen Einführungsgesetz noch im haager Vertrage ausdrücklich
ausgesprochen; doch wird sie sich aus den in diesen beiden Quellen genannten Sonderregeln
(EG. 13 1; Eheschl V. 1, 8) kraft Analogie auch für die dort nicht aufgeführten Fälle ableiten.
lassen. — Beispiel. Ein in Frankreich wohnhafter Österreicher will in der Schweiz ein
Mädchen heiraten, das deutsche Staatsangehörige ist, in Italien wohnt und von denselben
Großeltern abstammt wie er. Hier ist, weil das österreichische Recht die Ehe unter Geschwister-
kindern verbietet, die Ehe unzulässig, obschon weder das französische noch das italienische,
weder das deutsche noch das schweizer Recht dies Eheverbot kennt.
b) Wird bei Eingehung einer Ehe eine Vorschrift des zuständigen Rechts über die
materiellen Voraussetzungen der Eheschließung verletzt, so ist nach ebendiesem Recht auch die
Frage zu entscheiden, welche Wirkung einer solchen gesetzwidrig geschlossenen Ehe zukommt.
Doch sind hier wie bei der analogen Regel zu 1 c einige Vorbehalte zu machen; sie stimmen
zum Teil mit den dort genannten Vorbehalten überein.
T) Aus den Regeln zu a folgt, daß die deutschen Standesbeamten überaus häufig bei
der Entgegennahme von Eheschließungen das Recht der verschiedensten Auslandsstaaten zu
berücksichtigen haben. Im Hinblick hierauf ist landesgesetzlich bestimmt, daß kein Standes-
beamter die Eheschließung eines Ausländers entgegennehmen darf, wenn ihm nicht ein Zeugnis
der zuständigen Behörde des Heimatsstaats darüber vorgelegt wird, daß dieser Behörde
kein nach den Gesetzen ihres Staats bestehendes Ehehindernis bekannt ist (1315 II; preuß.
AussfGes. 43; bayr. Ges. v. 30. Juli 1899 Art. 34 usw.).
3. a) Für das Recht der Ehescheidung ist folgende Unterscheidung zu machen:
a) Soweit der haager Vertrag anwendbar ist, sind zwei Rechte nebeneinander maß-
gebend, nämlich das gemeinsame Heimatsrecht der Gatten und das Recht des Staats, in dem
die Ehescheidungsklage erhoben wird: die Scheidung kann nur erfolgen, wenn sie von diesen
beiden Rechten übereinstimmend zugelassen wird; ist die Staatsangehörigkeit der Gatten eine
verschiedene, so tritt an die Stelle ihres jetzigen ihr letztes gemeinsames Heimatsrecht
(Chesch Vertr. 1, 2, 6). — Beispiel. Ein österreichisches Brautpaar hat in Osterreich geheiratet,
später aber die österreichische Staatszugehörigkeit mit der schwedischen vertauscht; schließlich
hat der Mann die schwedische Staatszugehörigkeit wieder aufgegeben und ist Holländer ge-
worden, während die Frau Schwedin geblieben ist; jetzt wohnen beide in Hamburg und
wollen ihre Ehe ebenda scheiden lassen. Hier ist die Ehescheidung nur möglich, wenn sie
nach schwedischem und deutschem Recht statthaft ist; ob sie auch nach österreichischem oder
holländischem Recht zulässig ist, bleibt außer Betracht.
5) Wird in Deutschland eine Ehescheidungsklage erhoben, auf die der haager Vertrag
nicht anwendbar ist, so ist das Heimatsrecht der Gatten und das Recht des Ehescheidungsorts
gleichfalls nebeneinander maßgebend, aber in der Art, daß nicht das gemeinsame Heimats-
recht beider Gatten, sondern nur das des Mannes oder nur das der Frau maßgebend ist
und zwar kommt es auf das Heimatsrecht der Frau nur an, wenn diese eine Deutsche ist,
während der Mann vormals Deutscher war, aber seine deutsche Staatszugehörigkeit vor der
Klagerhebung verloren hat; im übrigen wird nur das Recht des Mannes berücksichtigt.