Zusatz zu Abschn. II. Kollisionsnormen und übergangsvorschriften. 625
sie gültig, auch wenn sie dem neuen Eheschließungsrecht widerspricht. Ist eine vor 1900 ab-
geschlossene Ehe nach bisherigem Recht ungültig, so wird sie mit rückwirkender Kraft gültig,
wenn die Gatten noch im Jahre 1900 tatsächlich als Gatten miteinander lebten und der
Grund, auf dem die Ungültigkeit der Ehe nach bisherigem Recht beruht, nach neuem Recht
die Ungültigkeit nicht zur Folge hat; andernsalls bleibt sie ungültig (EG. 198).
b) Die Wirkung einer vor 1900 ungültig eingegangenen und auch nachher ungültig
bleibenden Ehe folgt dem bisherigen Recht (s. EG. 198 III, 207). Nur BG. 1344 wird auf
Rechtsgeschäfte, die erst seit 1900 abgeschlossen, und auf Prozesse, die erst seit 1900 rechts-
hängig geworden sind, auch bei derartigen Ehen anwendbar sein.
T) Für eine nach deutschem Recht auszusprechende Scheidung ist vom 1. Januar 1900
ab nur das Reichsrecht maßgebend, auch wenn die Eheschließung vor diesem Zeitpunkt erfolgt,
ja sogar wenn die Ehescheidungsklage vorher erhoben ist (EG. 201 1)." Doch ist, wenn die
Klage auf eine Verschuldung des Beklagten gestützt wird, die der Zeit vor 1900 angehört, die
Scheidung nur zulässig, wenn jene Verschuldung auch nach bisherigem Recht Scheidungs-
oder wenigstens Trennungsgrund war (EG. 201 II)5; dagegen ist die Scheidung wegen drei-
jähriger Geisteskrankheit zulässig, auch wenn das bisherige Recht die Geisteskrankheit als
Scheidungsgrund nicht anerkannte.
2. Das Personenrecht der Gatten bestimmt sich für alle Tatbestände, die seit dem
1. Januar 1900 vorkommen, sofort nach neuem Recht, auch wenn die Ehe vor 1900 ge-
schlossen ist (EG. 199). Die Unterhaltspflicht geschiedener Ganen folgt dem neuen Recht
nur, wenn die Scheidung nach dem 1. Januar 1900 erfolgt ist.“
3. a) Das Güterrecht einer Ehe richtet sich nach den Gesetzen, die bei Eingehung der
Ehe in Geltung sind; das Reichsrecht ist also von Reichs wegen bloß auf die seit 1900 ge-
schlossenen Ehen anwendbar (EG. 200 1). Nur eine einzige Regel des Reichsrechis ist auch
für Ed#paare bestimmt, die vor 1900 geheiratet haben: Eheleute können Eheverträge schließen,
auch wenn ihr bisheriges Güterrecht (z. B. das französische) dies nicht gestattete (E6. 200 II).
b) Minder schonend als die Reichsgesetzgebung ist die preußische Gesetzgebung gegenüber
dem bisherigen Recht aufgetreten: sie hat mit beachtenswerter Energie eine „Überleitung“ des
Güterrechts der vor 1900 eingegangenen Ehen in das neue Reichsrecht verfügt, d. h. dies
Güterrecht den reichsrechtlichen Regeln mehr oder minder angepaßt.7
a) Für alle Ehepaare, die am 1. Januar 1900 in Preußen wohnten und kraft Ge-
setzes oder Ehevertrages einem der bisher in Preußen partikulär geregelten Güterrechts-
systeme unterstellt waren, gilt vom 1. Januar 1900 ab dasjenige System des BG.8, das
dem bisher für sie maßgebenden System am nächsten steht. Insbesondre traten sie, wenn
sie bisher in einer der verschiedenen Arten von Verwaltungsgemeinschaft oder in kurhessischer
Errungenschaftsgemeinschaft lebten, alsbald in die Verwaltungsgemeinschaft des BGB.#
über; ebenso wurden sie, wenn bisher irgendeine Form der allgemeinen Güter-
gemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft (mit Ausnahme der kurhessischen Form)
oder der Fahrnisgemeinschaft für sie galt, alsbald der allgemeinen Güter= oder Er-
rungenschafte= oder Fahrnisgemeinschaft des BGB. als ihrem nunmehrigen Güterrecht unter-
stellt; bei Ehepaaren, die bisher nach Dotalrecht lebten, wird unterschteden: war ihr Dotal-
recht ein gesetzliches, so gilt von 1900 ab Verwaltungsgemeinschaft, war es ein vertrags-
mäßiges, so gult von 1900 ab Gütertrennung für sie (Pr. Auss Ges. 44—58).
z) Die Güterrech'ssysteme des B#B., die auf die vor 1900 geschlossenen Ehen kraft
Überleltung Anwendung finden, müssen sich aber zum Teil Abänderungen gefallen lassen.
Wir heben, indem wir von Anderungen, die nur das Erbrecht des überlebenden Gatien,
die fortgesetzte Gütergemeinschaft und die Einkindschaft betreffen, einstweilen absehn,
folgendes hervor.
4) R. 45 S. 95, 418.
5) R. 47 S. 4, 31.
6) N. 48 S. 4.
7) Wieruszowski Bd. 2 S. 69 (04); Borcherdt, eheliches Güterrecht der übergeleiteten
Ehen in Preußen (03); Zelter, statutarische Gütererbrechte der übergangszeit in Preußen (01).
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