Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

632 Buch VII. Abschnitt 3. Das Recht der ehelichen Kinder. 
handlung des D. zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, so daß er die elterliche Gewalt 
über den C. verwirkt, über den D. behalten hat, und hat die Strafe noch im nämlichen 
Jahr abgesessen; 1906 ist A. in unheilbare Geisteskrankheit verfallen; 1910 ist deshalb die 
Ehe des A. und der B. geschieden: 1912 ist A. gestorben. Hier war Frau B. zur Aus- 
übung der elterlichen Gewalt berusen, I. während der Dauer der Ehe 1. 1905, solange A. 
im Gefängnis saß und also an der Ausübung der elterlichen Gewalt tatsächlich behindert 
war, in Ansehung des D., nicht aber auch des C. (I1), 2. 1906—1910, solange A. geisteskrank 
war und seine Gewalt über D. ruhte, gleichsalls in Ansehung des D., nicht aber auch des 
C., II. während der Zeit, daß A. noch am Leben, aber seine Ehe mit der B. geschieden 
war, gerade umgekehrt in Ansehung des C., nicht aber auch des D., es sei denn, daß die 
B. sich die Ausübung der Gewalt über D. vom Vormundschaftsgericht hat ausdrücklich 
übertragen lassen, III. nach dem Tode des A. in Ansehung des C. und des D. 
5) Die Gewalt der Mutter ruht aus den gleichen Gründen wie die des 
Vaters (1686). 
) Die Gewalt der Mutter erlischt aus den gleichen Gründen wie die 
des Vaters sowie außerdem auch dann, 
aa) wenn der Grund, der das Einrücken der Mutter in die elterliche Ge- 
walt schon bei Lebzeiten des Vaters herbeigeführt hat, nachträglich fortfällt, 
86) wenn die Mutter eine neue Ehe eingeht (1697). 
2. Der Inhalt der elterlichen Gewalt ist verschieden, je nachdem sie die 
Person des Kindes oder sein Vermögen betrifft, und wird deshalb erst im 
Personen= und im Güterrecht des Kindes näher zu erörtern sein. Gemeinsam 
für das Personen= und das Güterrecht gelten nur die folgenden Regeln. 
a) Die elterliche Gewalt des Vaters enthält die Befugnis, das Kind 
Dritten gegenüber zu vertreten (1630 1). Doch sind — abgesehn von solchen 
Angelegenheiten, die eine Vertretung überhaupt nicht vertragen — solche Rechts- 
geschäfte und Rechtsstreitigkeiten ausgenommen, bei denen dem Kinde als 
Gegenpartei der Vater selbst oder ein vom Vater gleichfalls vertretener Dritter 
oder die Ehefrau des Vaters oder ein väterlicher Verwandter gerader Linie 
gegenübersteht, es sei denn, daß das Rechtsgeschäft ausschließlich auf die Er- 
füllung einer Verbindlichkeit gerichtet ist (181, 1630 II, 1795); findet das 
Vormundschaftsgericht, daß bei irgendeiner Rechtsangelegenheit eine der eben 
angeführten Personen, ohne dem Kinde formell als Gegenpartei gegenüber- 
zustehn, doch im Gegensatz zum Kinde materiell interessiert ist, so kann es nach 
freiem Ermessen die väterliche Vertretungsmacht auch bei dieser Angelegenheit 
ausschließen (1630 II, 1796). Die gleiche Vertretungsmacht hat die Mutter, 
wenn und solange ihr die elterliche Gewalt zusteht (1686). Eine urkundliche 
Bestallung behufs der Vertretung des Kindes wird weder dem Vater noch der 
Mutter gegeben. Beide müssen sich also, so gut es geht, anderweit legitimieren; 
für den Vater genügt als Legitimation die Geburtsurkunde des Kindes, für 
die verwitwete Mutter eben diese Urkunde und die Sterbeurkunde des Vaters. 
Beispiele. I. 1. Ein Vater will seinem sechsjährigen Sohn ein Schaukelpserd schenken. 
Hier kann er beim Abschluß des Schenkungsvertrages den Sohn nicht etwa selber vertreten, 
sondern muß dem Kinde einen Pfleger bestellen lassen. 2. Zwei minderjährige Schwestern 
sollen eine Erbschaft teilen. Hier kann der Vater die Schwestern nicht vertreten — nicht
	        
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