§ 340. Vormundschaftsgericht. § 341. Sorge für die Person der Kinder. 635
1. Die Sorge der Eltern für die Person der Kinder durchdringt, solange
sie währt, das ganze Leben der Eltern wie der Kinder: sie verknüpft beide
mit gleicher Innigkeit, wie das Recht und die Pflicht zur Lebensgemeinschaft
den Ehemann und die Ehefrau aneinander bindet. Demgemäß läßt sich auch
ihr Inhalt so wenig schablonenhaft bestimmen wie der Inhalt der Lebens-
gemeinschaft, die die Gatten sich gegenseitig schulden. Entscheidend sind viel-
mehr hier wie dort die Umstände des Einzelfalls und die Regeln der Sitte.
Ausdrücklich vorgeschrieben ist (1631, 1632),
a) daß die Eltern kraft der Sorge für die Person eines Kindes berechtigt
und verpflichtet sind, das Kind zu erziehn, zu beaufsichtigen und seinen Auf-
enthalt zu bestimmen,
b) daß sie kraft ebendieser Sorge berechtigt sind, die Herausgabe des
Kindes von jedem zu verlangen, der es ihnen widerrechtlich vorenthält,
I) daß sie kraft ihrer Erziehungsgewalt befugt sind, das Kind in ange-
messener Art zu züchtigen, und daß das Vormundschaftsgericht ihnen auf ihr
Verlangen auch mit gerichtlichen Zuchtmitteln zu Hülfe kommen muß.
Ülber die gerichtlichen Zuchtmittel entscheiden die Landesgesetze. Allgemein zulässig wird
eine gerichtliche Verwarnung des Kindes sowie die Anordnung sein, daß ein entlaufenes
Kind seinen Eltern zwangsweise zurückgebracht wird. Wegen der Zwangserziehung eines
Kindes s. unten zu 4. Besondre landesgesetzliche Vorschriften bestehn für die religiöse Er-
ziehung der Kinder (EG. 134); doch sei deren Erörterung dem Kirchenrecht überlassen.
2. àa) Solange die elterliche Ehe dauert, gebührt die Sorge für die Per-
son der Kinder beiden Eltern zusammen. Und zwar hat jeder der Eltern der
Sorge selbständig zu walten; erst wenn eine Meinungsverschiedenheit zwischen
ihnen hervortritt, kommt dem Vater der Vorrang vor der Mutter zu: die
väterliche Meinung geht der mütterlichen vor (1634).7
b) Ist die elterliche Ehe durch den Tod eines der Ehegatten aufgelöst,
so gebührt die Sorge für die Person der Kinder dem überlebenden der Eltern
(1627, 1684, 1686).
e) Ist die elterliche Ehe geschieden, so gebührt die Sorge für die Person
der Kinder bald nur dem Vater, bald nur der Mutter, bald beiden Eltern;
es folgen nämlich, I. wenn die Mutter allein für schuldig erklärt wird, alle
Kinder dem Vater, II. wenn beide Eltern für schuldig erklärt werden, die
Söhne vom vollendeten 6. Lebensjahr ab dem Vater, die jüngeren Söhne und
die Töchter der Mutter, III. wenn der Vater allein für schuldig erklärt wird,
alle Kinder der Mutter (1635 1 Satz 1). Stirbt einer der Eltern, so fallen
die ihm zugeteilten Kinder der Sorge des überlebenden zu (1627, 1684, 1686).
Aus besondern Gründen kann das Vormundschaftsgericht bei Scheidung der elterlichen
Ebe die Sorge für die Person der Kinder zwischen Vater und Mutter anders verteilen, als
1) Planck-Unzner zu § 1631.
2) K. Schmidt, Konfession der Kinder (90); Kahl, Konfession der Kinder (95).
3) Siehe aber RE. 55 S. 420, 69 S. 94.