46 Buch III. Abschnitt 1. Das Sachenrecht im allgemeinen.
6) Sie „wirkt“ relativ. Denn sie bringt ja keine selbständige materielle
Rechtswirkung hervor, sondern ist nur für die Verteilung der Beweislast er-
heblich. Demgemäß erstrecken sich ihre Folgen immer bloß auf einen be-
stimmten Streitfall unter bestimmten Parteien: der glänzendste Sieg, der
in einem Prozeß kraft der Vermutung errungen wird, gibt dem Sieger keine
Gewähr dafür, daß nicht im nächsten Prozeß der Gegenbeweis wider die
Vermutung erbracht und sein Sieg in eine Niederlage verwandelt wird.
Beispiele. I. Auf dem Grundstück des A. sind im Wege der Zwangsvollstreckung eine
erste Hypothek für B., eine zweite für C. eingetragen; die erste Hypothek wird versehentlich
gelöscht. Hier kann C. für seine Hypothek den Vorrang vor der des B. so lange behaupten,
bis die Vermutung, daß die Hypothek B.3 rechtmäßig gelöscht ist, widerlegt wird. II. Mit
dem Eigentum am Gut x ist eine Reallast am Gut y, mit dem Eigentum am Gut F ist
eine Reallast am Gut 2 verbunden; 1 gehört dem D., 2 dem E.;: yF hat dem F. gehört, ist
aber von ihm dem G. übereignet; nachträglich hat F. die Ubereignung rechtmäßig angefochten:
als Eigentümer ist aber zurzeit noch G. eingetragen; vor der Ansechtung hat D. den G.
und G. den E. auf Entrichtung von Realleistungen verklagt. Hier kann G. sich in seinem
Prozeß mit E. als Kläger auf die Vermutung, daß er Eigentümer von F sei, zu seinen
Gunsten berufen und zugleich in seinem Prozeß mit D. als Beklagter die nämliche Ver-
mutung durch Gegenbeweis zu widerlegen suchen.
d) Die Vermutung nimmt selbstverständlich darauf, ob die Beteiligten
von einer etwaigen Unrichtigkeit des Grundbuchs Kenntnis gehabt haben oder
nicht, keine Rücksicht.
e) Ebensowenig wird die Vermutung durch die Eintragung eines „Wider-
spruchs“ im Grundbuch beeinflußt: die Vermutung wird durch das Dasein?,
der Gegenbeweis wird durch das Fehlen des Widerspruchs nicht ausgeschlossen.
Beispiel. In dem oben S. 44 genannten Fall kann C. unter Berufung auf seine
Eintragung im Grundbuch alle Eigentumsrechte an 1 geltend machen, ungeachtet des zu-
gunsten des D. eingetragenen Widerspruchs. Will ein Gegner sein Eigentum nicht aner-
kennen, so genügt es nicht, wenn er auf die Tatsache verweist, daß gegen C.#s Eigentum ein
Widerspruch eingetragen ist, sondern er muß auch dartun, daß der Widerspruch begründet ist.
II. 1. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs in dem zu 1 geschilderten
Sinn gilt aber nicht für den gesamten Grundbuchinhalt, sondern kommt nur
denjenigen Angaben des Grundbuchs zu, die erstens den Bestand von Buch-
rechten betreffen, zweitens sich gerade auf dem Grundbuchblatt des Grundstücks
finden, an dem die Buchrechte bestehn sollen, und drittens ihrer Art nach zur
Eintragung im Grundbuch geeignet sind.F Demgemäß ist der öffentliche
Glaube namentlich versagt
a) allen Angaben, die nur tatsächlichen Inhalts sind?,
b) allen Angaben über Buchrechte an einem Grundstück, die mit dem
Eigentum an einem andern Grundstück verbunden sind, falls die Angaben
7) Biermann, Widerspruch S. 93; Crome 3 S. 14615. Abw. Fuchs S. 148 Nr. 4:
Endemann II, 1 S. 365.
8) Sawitz, Inhalt des Grundbuchs nach § 892 (08).
9) Vgl. Fuchs S. 156. .