Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

640 Buch VII. Abschnitt 3. Das Recht der ehelichen Kinder. 
mäßig dem Vater allein vorbehalten und wird nur ausnahmsweise, namentlich 
wenn der Vater an der Ausübung der elterlichen Gewalt tatsächlich behindert 
ist, auch der Mutter zugestanden. 
b) Wenn die elterliche Ehe geschieden ist, hat die Mutter die Sorge für 
die Person der Kinder häufig allein zu tragen; dagegen ist die Macht, die 
Kinder in ihren persönlichen Angelegenheiten zu vertreten, auch hier regel- 
mäßig ein Vorbehalt des Vaters (1635 1). 
c) Mag die elterliche Ehe bestehn oder aufgelöst sein, so tritt eine 
minderjährige Tochter aus der Sorge beider Eltern für ihre Person heraus, 
sobald sie heiratet; dagegen bleibt die Macht der Eltern, die Tochter in ihren 
persönlichen Angelegenheiten zu vertreten, in Kraft (1633, 1686). 
Beispiele. I. Die Eltern der A. sind geschieden; die A. ist der mütterlichen Sorge zu- 
geteilt und hat zu ihrem Vater seit langen Jahren nicht die mindesten Beziehungen. Hier 
wird die A. erst, als sie heiraten will, plötzlich gewahr, daß sie in der „Gewalt“ des Vaters 
steht, da sie zur Heirat nicht die mütterliche sondern die väterliche Einwilligung braucht. 
II. Die siebzehnjährige Frau B. ist das Opfer des in Str GB. 179 genannten Verbrechens 
geworden; hier hat den Strafantrag nicht der Ehemann der B., sondern dessen Schwieger- 
vater zu stellen. 
3. Die Vertretungsmacht der Eltern fällt fort, wenn demjenigen der Eltern, der zur Aus- 
übung der elterlichen Gewalt berufen ist, die Sorge für die Person der Kinder vom Vor- 
mundschaftsgericht entzogen wird oder wenn die elterliche Gewalt beider Eltern ruht oder 
erloschen ist (s. 1627, 1630 1). 
III. In einigen Beziehungen ist ein Kind von seinen Eltern persönlich 
abhängig, auch wenn den Eltern weder die Sorge für seine Person noch die 
Vertretungsmacht in seinen persönlichen Angelegenheiten zusteht. 
1. Jedes Kind ist, ohne Rücksicht auf sein Lebensalter, verpflichtet, solange 
es dem elterlichen Hausstande angehört und von den Eltern erzogen oder 
unterhalten wird, seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechend in 
dem elterlichen Hauswesen und Geschäft unentgeltlich Dienste zu leisten (1617). 
2. Jedes Kind unter 21 Jahren muß, wie schon erwähnt, zur Heirat die 
Einwilligung des Vaters oder der Muttier und es muß ferner zur Annahme 
an Kindes Statt die Einwilligung beider Eltern einholen (1305, 1747). 
IV. Die Eltern und Kinder sind verpflichtet, einander den erforderlichen 
Unterhalt zu gewähren (1601). Die Verpflichtung ist beiderseits eine lebens- 
längliche, hat also mit der elterlichen Gewalt oder der elterlichen Sorge für 
die Person der Kinder nichts zu tun. 
1. Der Unterhaltsanspruch setzt die Bedürftigkeit des Berechtigten vor- 
aus: der Berechtigte muß also außerstande sein, sich selbst zu unterhalten 
(1602 1). Nur für Kinder, die minderjährig und unverheiratet sind, gilt 
eine Vergünstigung: sie sind schon dann berechtigt, wenn die Einkünfte 
ihres Vermögens und der Ertrag ihrer Arbeit zum Unterhalt nicht aus- 
reichen: sie brauchen also — vorbehaltlich einer gleich zu erwähnenden Aus- 
nahme —, um ihren Unterhalt zu fristen, nicht ihr Kapitalvermögen anzu- 
greifen (1602 11).
	        
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