Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

8 341. Unterhaltspflicht zwischen Eltern und Kindern. 641 
Beispiele s. unten S. 643. 
Der Pflichtige haftet nach der Regel zu 1 gegenüber seinen minderjährigen Kindern 
milder als gegenüber seiner jetzigen, strenger als gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau. 
I. Er kann die Kinder zunächst auf die Einkünfte ihres eignen Vermögens verweisen, während 
er aus den Einkünften des Vermögens seiner jetzigen Frau, soweit diese Einkünfte zur Ver- 
fügung der Frau stehn, höchstens einen „Beitrag" fordern darf. II. Er kann die geschiedene 
Ehefrau zunächst auf das verweisen, was sie durch angemessene Arbeit verdienen könnte, 
während er die Kinder nur auf das verweisen kann, was sie durch Arbeit tatsächlich 
verdienen. 
2. Der Unterhaltsanspruch setzt ferner die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen 
voraus; und zwar darf der Pflichtige bei Feststellung seiner Leistungsfähigkeit 
von seinen Einnahmen alles abziehn, was er für seinen eignen standesmäßigen 
Unterhalt braucht (1603 1). Nur für minderjährige unverheiratete Kinder gilt 
auch hier eine Vergünstigung: die Eltern müssen alle verfügbaren Mittel zu 
ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig verwenden, also im Notfall zu 
der Kinder Gunsten auf den eignen standesmäßigen Unterhalt verzichten; doch 
ist diese Regel erst anwendbar, wenn zuvor das etwaige Kapitalvermögen der 
Kinder aufgezehrt und kein andrer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden 
ist (. 1603 ID. 
Beispiele s. unten S. 643. 
Nach der Regel zu 2 haftet der Pflichtige gegenüber seinen minderjährigen Kindern 
ebenso streng wie gegenüber seiner jetzigen, strenger als gegenüber seiner geschiedenen Ehe- 
frau. Denn letztere muß es sich ja gefallen lassen, daß der Pflichtige, wenn sein eigner 
Unterhalt gefährdet ist, sie mit einem Drittel der für diesen eignen Unterhalt versügbaren 
Mittel abfindet. 
Aus der Regel zu 2 ergeben sich folgende Sätze. I. Ist der auf Gewährung von 
Unterhalt belangte Verwandte gar nicht oder nicht in der vom Kläger in Anspruch ge- 
nommenen Höhe leistungsfähig, so ist die Klage gegen ihn ganz oder teilweise abzuweisen.? 
II. Fällt, wenn er ursprünglich voll leistungsfähig war und deshalb nach dem Klagantrage 
verurteilt ist, seine Leistungsfähigkeit nachträglich ganz oder teilweise fort, so kann er dies 
noch in der Zwangsvollstreckungsinstanz durch Klage geltend machen (ZPO. 767).1 
III. Umgekehrt kann die Klage, wenn sie gegen ihn wegen Mangels der Leistungsfähigkeit 
ganz oder teilweise abgewiesen ist, bei späterer Besserung seiner Verhältnisse von neuem er- 
hoben werden (s. ZPO. 323). 
3. Soweit es die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen erlaubt, kann der Be- 
rechtigte standesmäßigen Unterhalt beanspruchen; dessen Maß richtet sich nach 
der Lebensstellung des Berechtigten; der Unterhalt umfaßt den ganzen Lebens- 
bedarf; bei Kindern, die der Erziehung bedürftig sind, umfaßt er auch die 
Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Beruf (1610). Ausnahms- 
weise muß der Berechtigte sich aber mit „notdürftigem“ Unterhalt begnügen, 
nämlich dann, wenn er durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist 
oder wenn er sich derart verfehlt hat, daß der Pflichtige ihm testamentarisch 
den Pflichtteil entziehn darf (1611). 
7) R. 57 S. 70. 
8) RG. 57 S. 70. 9) R. 57 S. 72. 
10) Rechtsprechung 1 S. 156. 
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