§ 341. Unterhaltspflicht zwischen Eltern und Kindern. 643
durch die Gewährung des Unterhalts seinen eignen standesmäßigen Unterhalt
nicht gefährdet, allen andern Pflichtigen vor; andernfalls steht er allen andern
Pflichtigen nach (1608).
Beispiele. I. Die Ehe des A. und der B. ist geschieden und jeder Gatte für schuldig
erklärt; für ihren eignen standesmäßigen Unterhalt bedürfen A. 4500, die B. 3000, der
siebzehnjährige Sohn beider C. 1500 Mk. jährlich; die Einnahmen des A. und der B. be-
tragen je 4000 Mk. jährlich, während C. vermögenslos und erwerbsunfähig ist. 1. Hier
liegt die Unterhaltspflicht gegenüber C. zunächst nicht dem Vater, sondern der Mutter ob,
da nur sie mehr einnimmt als sie für sich selbst braucht (s. oben Regel 2 am Ende); sie
muß also 4000 — 3000 = 1000 Mk. für C. verwenden. 2. Erst für die fehlenden 500 Mk.
kann C. auch den Vater in Anspruch nehmen, und auch dies nur so, daß A. die ihm zur
Verfügung stehenden 4000 Mk. verhältnismäßig auf sich selbst und C. verteilen darf; A.
muß demnach für C. ½0 von 4000 = 400 Mk. verwenden. 3. Den Rest von 100 Mk., den
C. noch nötig hat, muß schließlich die Mutter aufbringen, jedoch nur mit einer analogen
Beschränkung wie zu 2, also nur in Höhe von 3%%1. II. Der 1895 geborene D. hat ein
kleines von der väterlichen Nutznießung befreites Vermögen von 5000 Mk., das ihm jährlich
200 Mk. abwirft; weitere Einnahmen stehn ihm nicht zur Verfügung; sein standesmäßiger
Bedarf macht jährlich 800 Mk. aus; sein Vater E. hat ein Vermögen von 100000 Mk. mit
einem Jahresertrage von 5000 Mk. und braucht zu seinem eignen standesmäßigen Unter-
halt 4000 Mk. jährlich. Hier hat E. bis 1916 die dem D. sehlenden 600 Mk. aus eignen
Mitteln zuzuschießen; von da ab muß D. zunächst von seinem Kapital leben und kann sich
an den Vater erst wenden, wenn er es verbraucht hat. III. F. ist von seiner Frau G. ge-
schieden und für den schuldigen Teil erklärt; aus der Ehe ist ein volljähriger Sohn H. und
ein minderjähriger Sohn J. hervorgegangen; nach der Scheidung hat F. sich mit der K.
verheiratet; von sonstigen Angehörigen F.s ist nur noch sein Vater L. und sein Bruder M.
am Leben. 1. Hier sind, wenn F. leistungsfähig ist, gegenüber ihm unterhaltsberechtigt:
a) in erster Reihe J. und die K. sowie, wenn es nicht unbillig, auch die G., b) in zweiter
Reihe H., c) in dritter Reihe L., d) gar nicht M. 2. Hier ist, wenn F. in Not gerät,
unterhaltspflichtig: a) in erster Reihe die K., soweit deren eigner slandesmäßiger Unterhalt
nicht gefährdet ist, b) in zweiter Reihe H. und J., c) in dritter Reihe L., d) in vierter
Reihe, wenn ihr eigner standesmäßiger Unterhalt in Gefahr ist, die K., e) gar nicht die
G. und M.
Wird jemand, der in der Rangordnung der Unterhaltspflichtigen zurücksteht, wegen
mangelnder Leistungsfähigkeit der Vormänner zur Gewährung von Unterhalt genötigt, so
kann er von den Vormännern keinen Ersatz fordern, auch wenn diese später Vermögen er-
langen; dagegen ist er ersatzberechtigt, wenn er nur deshalb zur Gewährung von Unterhalt
gezwungen wurde, weil die Rechtsverfolgung gegen die Vormänner erschwert oder aus-
geschlossen war (1607 II, 1608 1 Satz 3).
6. Im übrigen kommen dieselben Vorschriften zur Anwendung wie bei
der Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten (s. oben S. 560).
V. 1. Die Eltern sind verpflichtet, eine Tochter im Fall der Verheiratung
auszusteuern, d. h. ihr nach erfolgter Heirat 15 zu geben, was zur Ein-
richtung ihres Haushalts nach den Verhältnissen der Eltern erforderlich ist. 11
a) Die Verpflichtung ist wie die elterliche Unterhaltspflicht eine lebens-
längliche und, sowenig wie diese, von der elterlichen Gewalt oder der elterlichen
Sorge für die Person der Tochter abhängig; in erster Reihe belastet sie den
13) RG. 58 S. 140.
14) Süßheim, Arch. f. ziv. Pr. 89 S. 389; Sprenger ebenda 92 S. 425; Starke, Be-
handlung der Aussteuer im BG#B. (05); Neubecker, Mitgift (09).