644 Buch VII. Abschnitt 3. Das Recht der ehelichen Kinder.
Vater; die Mutter ist nur verpflichtet, wenn der Vater gestorben oder zur
Gewährung der Aussteuer nicht imstande ist (1620 I).
b) Die Aussteuerpflicht setzt voraus: auf seiten der Tochter, daß sie kein
eignes ausreichendes Vermögen besitzt und von den Eltern nicht schon für
eine frühere Ehe ausgesteuert ist; auf seiten der Eltern, daß sie bei Berück-
sichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen die Aussteuer ohne Gefährdung ihres
standesmäßigen Unterhalts zu gewähren vermögen (1620, 1622).
e) Vater und Mutter dürfen die Aussteuer verweigern: J. wenn sich die
Tochter einer Verfehlung schuldig gemacht hat, wegen deren sie ihr testamen-
tarisch den Pflichtteil entziehn können; II. wenn die Tochter sich ohne die
erforderliche elterliche Einwilligung verheiratet hat (1621).
d) Der Anspruch auf die Aussteuer ist nicht übertragbar; er verjährt in
einem Jahr seit Eingehung der Ehe (1623).
2. Auch über den Bereich dieser eng begrenzten Aussteuerpflicht hinaus
sind die Eltern verpflichtet, ihre Kinder auszustatten.
a) Die Ausstattungspflicht geht erheblich weiter als die Aussteuerpflicht.
Denn sie gilt nicht bloß gegenüber den Töchtern, sondern auch gegenüber den
Söhnen. Sie umfaßt nicht bloß, was zur Einrichtung eines Haushalts, sondern
auch was zur Begründung oder Erhaltung einer Wirtschaft oder einer selb-
ständigen Lebensstellung erforderlich ist. Sie tritt nicht bloß im Fall der
Verheiratung, sondern überall ein, wenn ein Kind seine Selbständigkeit vor-
bereiten oder begründen oder erhalten will.
b) Die Pflicht ist aber nur eine sittliche, keine rechtliche. Immerhin wird
sie auch vom Recht durch folgende Regel anerkannt: eine Ausstattung, welche
Eltern ihren Kindern freiwillig gewähren, gilt nicht als „Schenkung“, es sei
denn, daß sie das den Umständen entsprechende Maß übersteigt (1624 1). Sie
unterliegt also den besondern für die Schenkungen maßgebenden Vorschriften
nicht; namentlich kann sie wegen Bedürftigkeit der Eltern nicht zurückgefordert,
wegen Undanks der Kinder nicht widerrufen werden.
3. Gewährt der Vater oder die Mutter einem Kinde, dessen Vermögen ihrer elterlichen
oder vormundschaftlichen Verwaltung unterliegt, eine Ausstattung, so ist im Zweifel an-
zunehmen, daß sie sie aus diesem Vermögen gewähren; sie können sie also bei der der-
einstigen Herausgabe des Vermögens in Abzug bringen (1625). Beispiel unten S. 663 Abs. 2 II.
VI. Alle Regeln, die das Personenrecht der Eltern und Kinder betreffen,
sind zwingenden Rechts, können also durch Vereinbarungen der Eltern unter-
einander oder der Eltern mit den Kindern nicht abgeändert werden.
Beispiel. Ein Vertrag ist ungültig, kraft dessen eine geschiedene Ehefrau ihrem für
allein schuldig erklärten Ehemann die Sorge für die Person ihrer Kinder abtritt ½ oder eine
unverheiratete Tochter auf ihre dereinstige Aussteuer verzichtet.
Landesrechtlich sind Verträge zwischen den Eltern über die religiöse Erziehung der
Kinder zugelassen (EG. 134).
15) RG. 60 S. 266.