Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

8 364. Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft. 
a) Die Mutter ist mit Zustimmung des Vaters befugt, den einem Kinde bei der Aus- 
einandersetzung gebührenden Anteil am Gesamtgut durch letztwillige Verfügung herabzusetzen 
oder ganz zu entziehn; die Herabsetzung des Anteils bis auf die Hälfte kann willkürlich 
geschehn; eine noch weitere Herabsetzung und die völlige Entziehung des Anteils ist dagegen 
nur zulässig, wenn Gründe vorliegen, wegen deren die Mutter dem Kinde sein Pflichtteils- 
recht entziehn kann (1512, 1516, 1513 I, 2336); der einem Kinde ganz oder teilweise ent- 
zogene Anteil wächst den andern Kindern (Enkeln, Urenkeln) oder, wenn es an solchen fehlt, 
dem Vater an; doch kann die Mutter den Geldwert des Anteils mit Zustimmung des Vaters 
durch letztwillige Verfügung auch einem Dritten zuwenden (1514, 1516). Dem Vater steht eine 
gleichartige Verfügungsmacht nicht zu, weder bei Lebzeiten der Mutter noch nach ihrem Tode: 
er kann nur über seine eigne, nicht aber über die vormals mütterliche und nunmehr den 
Kindern gehörige Hälste des Gesamtguts testieren! — Die Rechtsstellung eines Kindes, dem 
die Mutter den Auseinandersetzungsanteil gänzlich entzogen hat, ist einigermaßen verzwickt: es 
ist nämlich, solange die fortgesetzte Gütergemeinschaft besteht, vollberechtigter Teilhaber, so 
daß z. B. bei jeder Schenkung des Vaters seine Zustimmung nötig ist, ohne auch nur den 
mindesten Nutzen von der Gütergemeinschaft zu haben!! Der Grund dieser Verzwicktheit 
ist, daß, wenn das Kind von der Gemeinschaft gänzlich ausgeschlossen würde und keine 
andern Kinder vorhanden sind, die Gemeinschaft gar nicht zustande käme; das wäre aber 
für den Vater nicht erfreulich, weil er dann das eheliche Gesamtgut z. B. mit den Schwieger- 
eltern teilen müßte; um dem Vater dies zu ersparen, wird das Kind gleichsam als Statist 
in die Gütergemeinschaft ausgenommen. 
9) Der Vater ist befugt, aus dem Gesamtgut nicht bloß, wie ein Ehegatte, gewisse ihm 
besonders vorbehaltene Dinge, sondern jeden beliebigen ihm passenden Gegenstand gegen Er- 
stattung des Schätungswerts zu übernehmen; ja es ist ihm sogar die Übernahme des Ge- 
samtguts im ganzen gestattet (1502 1). Das nänliche Recht steht auch den Kindern und 
zwar mit dem Vorrange vor dem Vater zu, falls die Mutter es ihnen mit Zustimmung 
des Vaters letztwillig zugewendet hat; andernfalls fehlt ihnen ein Übernahmerecht ganz 
(1515 I, 1516 1). — Gehört zu dem Gesamtgut ein Landgut, so kann die Mutter mit Zu- 
stimmung des Vaters letztwillig bestimmen, daß die Kinder oder der Vater, wenn sie das 
Gut übernehmen wollen, bloß dessen Ertragswert zu erstatten brauchen (1515 II, III, 
1516 1). Dieser Ertragswert ist nach dem Reinertrage abzuschätzen, den das Gut nach 
seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nach- 
haltig gewähren kann (1515 II, 2049 II); er wird also, namentlich wenn das Gut sich durch 
Anderung seiner wirtschaftlichen „Bestimmung“, z. B. durch Benutzung zu Banzwecken oder 
durch Verpachtung in Parzellen, höher rentieren würde, hinter dem mutmaßlichen Verkaufs- 
wert erheblich zurückbleiben; müßten die Kinder oder der Vater bei Übernahme des Guts den 
vollen Verkaufswert vergüten, so wären sie mittelbar genötigt, die wirtschaftliche Bestimmung 
des Guts tatsächlich zu ändern oder das Gut zu verkaufen, nur um auf ihre Kosten zu 
kommen; und diesen Zwang will das Gesetz vermeiden. 
7) Die Kinder müssen sich nicht bloß, wie Ehegatten, was sie selber zu dem Gesamtgut 
zu erstatten haben (1498, 1476 11), sondern auch gewisse andre unter Umständen sehr er- 
hebliche Beträge auf ihre Gesamtgutshälfte anrechnen lassen. Dies gilt vor allem für den 
Fall, daß ein Kind aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist und dafür vom Vater eine Ab- 
findung aus dem Gesamtgut erhalten hat: diese Abfindung ist bei der Auseinandersetzung 
zwischen dem Vater und den Kindern dem Gesamtgut zu= und auf den Kinderanteil anzu- 
rechnen (1501 1). Selbstverständlich ist hier vorausgesetzt, daß die Abfindung von allen 
Kindern genehmigt ist. Denn daß der Vater dem ausscheidenden Kinde eine Abfindung zu 
Lasten der andern Kinder eigenmächtig geben dürfte, wäre doch gar zu unbillig. 
) Die Vorschriften über den sogenannten Ergänzungspflichtteil (s. unten § 446) finden 
zugunsten der Kinder in der Art Anwendung, daß an Stelle des Erbfalls die Aufhebung. 
der fortgesetzten Gütergemeinschaft tritt, als Erbteil der den Kindern zur Zeit der Aufhebung 
gebührende Gesamtgutsanteil und als Pflichtteil die Hälfte des Werts dieses Anteils gilt 
3) Abw. Planck-Unzner, A. Schmidt zu § 1501; Endemann 2 8 187 1. 
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