g8 365, 366. Gegenvormund. Anstaltsvormundschaft. Mitvormünder. 703
grundsätzlich die Sorge für alle persönlichen und für alle Vermögensangelegen-
heiten seines Mündels zu tragen hat. Damit er dieser Sorge walten könne,
ist ihm eine Herrschaft über den Mündel verliehn, die in manchen Beziehungen
der elterlichen Gewalt nahe steht, die vormundschaftliche Gewalt.
2. Die Gewalt des Vormundes beginnt, sobald der Vormund als solcher
rechtsgültig bestellt ist; sie ruht, wenn der Vormund geschäftsunfähig ist, ohne
entmündigt zu sein; sie erlischt, wenn das Amt des Vormundes endigt.
II. 1. Sind dem Mündel mehrere Mitvormünder bestellt, so haben sie
sich der Sorge für alle Angelegenheiten des Mündels gemeinsam zu widmen
und können demgemäß auch die vormundschaftliche Gewalt nur zu gesamter
Hand ausüben; bei einer Meinungsverschiedenheit unter den Mitvormündern
entscheidet das Vormundschaftsgericht (1797 1). Doch kann das Vormundschafts-
gericht das Verhältnis der Mitvormünder auch anders regeln: namentlich kann
es jedem Mitvormunde einen bestimmten Wirkungskreis derart zuweisen, daß
er in dessen Bereich als Alleinvormund gilt (1797 I, II).
Ebenso kann es anordnen, daß die Mitvormünder die Vormundschaft gemeinsam un-
geteilt führen, aber bei Meinungsverschiedenheiten der Beschluß der Mehrheit maßgebend
ist. Haben die Eltern über das Verhältnis der Mitvormünder letztwillige Bestimmungen
getroffen, so hat das Gericht sie zu befolgen, soweit das Interesse des Mündels es er-
laubt (1797 IID.
2. Ist ein Vormund und neben ihm ein Gegenvormund bestellt, so sind
die Rollen zwischen beiden wie folgt verteilt.
a) Für gewisse im Gesetz einzeln aufgeführte besonders wichtige Ange-
legenheiten des Mündels müssen Vormund und Gegenvormund gemeinschaftlich
sorgen. Können Vormund und Gegenvormund sich über den Abschluß eines von
ihnen gemeinsam vorzunehmenden Rechtsgeschäfts nicht einigen oder ist der
Gegenvormund an der Mitwirkung dabei behindert, so kann seine Zustimmung
vom Vormundschaftsgericht ersetzt werden (1810 Satz 1, 1812 II).
b) Bei allen sonstigen Angelegenheiten des Mündels ist eine gemeinschaft-
liche Tätigkeit von Vormund und Gegenvormund nicht geboten, sondern der
Vormund kann allein entscheiden. Doch hat der Gegenvormund das Verhalten
des Vormundes auch in diesem Bereich zu überwachen und jeden Fall, in dem
das Vormundschaftsgericht zum Einschreiten berufen ist, namentlich jede Pflicht-
widrigkeit des Vormundes, dem Gericht unverzüglich anzuzeigen; um dieser
Aufgabe genügen zu können, ist er befugt, vom Vormunde über die Führung
der Vormundschaft Auskunft zu fordern (1799; R. FG. 57 Nr. 6, 7).
Beispiele. I. Die Mitwirkung des Gegenvormundes ist nötig bei der Inventarisierung
des Mündelvermögens, bei der Rechnungslegung über die Verwaltung des Mündel-
vermögens, bei der Anlegung von Mündelgeld. II. Sie ist entbehrlich bei der Auswahl
der Schule, die der Mündel besuchen soll, bei der Veräußerung überflüssiger Möbel
des Mündels.
Meistens ist die Mitwirkung des Gegenvormundes, wenn überhaupt, so nur unter der
Voraussetzung vorgeschrieben, daß ein Gegenvormund tatsächlich vorhanden ist (1802 I,
1812 1II usw.); ist also in einem Fall, in dem ein Gegenvormund vorhanden sein sollte,
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. 11. 45