716 Buch VII. Abschnitt 7. Das Vormundschaftsrecht.
b) Die Pflegschaft bezieht sich nur auf diejenigen Angelegenheiten, deren-
wegen sie angeordnet ist. Diese Angelegenheiten sind deshalb bei der Be-
stellung des Pflegers ausdrücklich anzugeben. Sie können umfassender Art
oder engbegrenzt sein.
c) Im Bereich der Pflegschaft ist der Pfleger zur Fürsorge für den
Pflegling ausschließlich zuständig: Eltern und Vormund sind von der Sorge
für die dem Pfleger überwiesenen Angelegenheiten gänzlich ausgeschlossen
(1628, 1794).
Beispiele. I. A. ist kein guter Vater, sondern vernachlässigt zeitweilig die Erziehung
der Kinder, zeitweilig die Verwaltung des Kindervermögens; deshalb wird ihm einmal die
Sorge für die Person der Kinder, ein zweites Mal die Sorge für das Kindervermögen, ein
drittes Mal sowohl die eine wie die andre Sorge je auf ein Jahr entzogen. Hier ist den
Kindern das erste Mal ein Pfleger für ihre persönlichen Angelegenheiten, das zweite Mal
ein Pfleger für ihr Vermögen zu bestellen, während das dritte Mal keine Pflegschaft, sondern
eine „allgemeine“ Fürsorge, d. h. eine Vormundschaft über die Kinder anzuordnen ist.
II. Dem unter Vormundschaft des B. stehenden minderjährigen C. vermacht ein Verwandter
10 000 Mk. in Wertpapieren mit der Bestimmung, daß B. von der Verwaltung der Papiere
ausgeschlossen sei. Hier ist für die Verwaltung jener 10 000 Mk. dem C. ein Pfleger zu be-
stellen, während das sonstige Vermögen des C. unter der Verwaltung des Vormundes B.
verbleibt. III. D. will seinem sechsjährigen Mündel E. eine Geldsumme schenken. Hier ist,
um die Schenkung rechtswirksam zu machen, dem E. ein Pfleger zu bestellen, der weiter nichts
zu tun hat, als die Schenkung anzunehmen. IV. Die Ehefrau des Vormundes F. führt
gegen dessen Mündel G. einen Prozeß. Hier wird zur Vertretung des G. in dem Prozeß ein
Pfleger bestellt; F. ist weder berechtigt noch verpflichtet, sich zugunsten G.s in die Führung
des Prozesses zu mischen, selbst wenn seine Ehe inzwischen geschieden und somit der Grund,
der zur Anordnung der Pflegschaft geführt hat, fortgefallen ist.
2. Wer noch nicht unter Vormundschaft steht, aber darunter gestellt werden
soll, kann einen Pfleger erhalten, wenn die Bestellung des Vormundes sich ver-
zögert (1909 III). Die Pflegschaft erstreckt sich auf alle Angelegenheiten des
Pfleglings, die keinen Aufschub vertragen.
Beispiel. Im Namen eines neugeborenen Kindes, dessen beide Eltern gestorben sind, soll
schleunigst die ererbte Wohnungsmiete gekündigt werden. Hier kann das Kind, wenn sich
die Bestellung eines Vormundes noch verzögert, weil die Vormundschaft erst den beiden
Großvätern angeboten werden muß, zwecks Vornahme der Kündigung einen Pfleger erhalten.
3. a) Wer weder unter elterlicher Gewalt noch unter Vormundschaft steht,
kann einen Pfleger erhalten, wenn er infolge körperlicher oder geistiger Ge-
brechen, insbesondre weil er taub, blind, stumm oder geistesschwach ist, seine
Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag; doch ist die Anordnung der Pfleg-
schaft nur mit Zustimmung des Gebrechlichen statthaft, es sei denn, daß eine
Verständigung mit ihm unmöglich ist (1910).2
b) Die Pflegschaft erstreckt sich je nach dem Umfange der Hülfsbedürftig-
keit des Pfleglings nur auf einzelne Angelegenheiten oder auf einen größeren
Kreis von Geschäften; erforderlichenfalls kann sie aber auch, ähnlich einer
Vormundschaft, als allgemeine Fürsorge sowohl für die Person wie für das
2) Siehe RG. 52 S. 240; 65 S. 200.