718 Buch VII. Abschnitt 7. Das Vormundschaftsrecht.
7. Ist durch öffentliche Sammlung Vermögen für einen vorübergehenden
Zweck zusammengebracht worden, so kann ein Pfleger bestellt werden, wenn
die zur Verwaltung und Verwendung ursprünglich berufenen Personen weg-
gefallen sind; die Pflegschaft erstreckt sich nur auf die Verwaltung und Ver-
wendung des angesammelten Vermögens (1914).4
Beispiele zu 5—7. I. A. hat dem Kinde, mit dem seine Braut B. schwanger geht,
und, wenn die B. sich später verheiraten sollte, ihrem Ehemann ein Kapital vermacht. Hier
kann nach seinem Tode, wenn das Vermächtnis gefährdet ist, sowohl dem noch ungeborenen
Kinde wie dem künftigen Ehemann der B. zur Wahrung ihrer Rechte ein Pfleger bestellt
werden. II. Ein Grundstück, das C. von D. geerbt hat, ist ausweislich des Grundbuchs
mit einer Hypothek zugunsten des Jean Schmitz in Köln belastet; die Aufzeichnungen D.s
lassen erkennen, daß es sich dabei um ein bloßes Mißverständnis handelt; niemand weiß
aber, wer der angebliche Hypothekengläubiger Jean Schmitz ist. Hier kann diesem unbe-
kannten Jean Schmitz ein Pfleger bestellt werden, um die Löschung der Hypothek zu ermög-
lichen. III. E. hat 10000 Mk. für ein Vegetarierheim gesammelt; nach seinem plätzlichen
Tode wollen die Erben E.s mit der Sache nichts zu tun haben. Hier ist zur Verwaltung
des gesammelten Geldes eine Pflegschaft anzuordnen.
8. Uber die Nachlaßpflegschaft s. unten im Erbrecht.
9. Siehe ferner über gewisse vom Prozeßgericht anzuordnende Vertretungen Z PO. 57,
58, 668, 787, RZwes. 135 usw.; auf diese Vertretungen ist aber das Recht der Pflegschaft
nicht anzuwenden. 5 Dagegen ergibt sich eine Pflegschaft aus Strafprozeßordn. 334.
III. Die Pflegschaft unterliegt, abgesehn davon, daß der Wirkungskreis
des Pflegers enger begrenzt ist als der des Vormundes, grundsätzlich den
gleichen Regeln wie die Vormundschaft (1915). Demgemäß hat das Vormund-
schaftsgericht sie von Amts wegen anzuordnen; jeder deutsche Reichsangehörige
ist zur Ubernahme einer Pflegschaft in gleichem Umfange verpflichtet wie zur
Ubernahme einer ihm angebotenen Vormundschaft; wer nicht Vormund werden
kann, kann auch nicht Pfleger werden usw. Nur in den folgenden Punkten
ist die Pflegschaft von der Vormundschaft verschieden.
1. Bei der Pflegschaft über ein unter elterlicher Gewalt oder Vormund-
schaft stehendes Kind hat niemand ein Vorrecht, als Pfleger berufen zu
werden (1916), und ist eine Befreiung des Pflegers von den gesetzlichen Be-
schränkungen unzulässig. Eine Ausnahme gilt, wenn die Pflegschaft angeordnet
wird, weil der Pflegling einen Erwerb von Todes wegen gemacht und der
Erblasser die Verwaltung des Erworbenen durch die Eltern oder den Vormund
ausgeschlossen hat: hier ist der Erblasser zur Benennung des Pflegers befugt
und kann ihm die gleichen Befreiungen bewilligen, die der Vater einem von
ihm benannten Vormunde zuzuwenden befugt ist; die gleichen Rechte hat, wer
dem Pflegling eine unentgeltliche Zuwendung unter Lebenden macht (s. 1917).
2. Ein Gegenvormund (richtiger Gegenpfleger) braucht neben einem
Pfleger nicht bestellt zu werden (1915 I.).
4) Isay, Jahrb. f. Dogm. 36 S. 409; Regelsberger, Streifzüge (Göttinger Festgaben
für Ihering, 92); Krückmann, Arch. für BR. 8 S. 67; Hellwig, Anspruch S. 297: U.
Schultze, Jahrb. f. Dogm. 43 S. 35; Jörges, Spendungsgeschäft u. Sammelvermögen (10);
Seckel, 30. Juristentag 1 S. 564.
5) Siehe Hellwig, Anspruch S. 232.