720 Buch VII. Abschnitt 7. Das Vormundschaftsrecht.
III. 1. Der Beistand hat gegenüber Mutter und Kind im allgemeinen die
gleiche Rechtsstellung wie ein Gegenvormund gegenüber Vormund und Mündel,
nur daß er die Mutter nicht bloß überwachen, sondern auch unterstützen soll;
auch für seine Berufung, Bestellung und Beaufsichtigung gelten dieselben Vor-
schriften wie bei einem Gegenvormunde (1689—1692, 1694).
2. Doch kann das Vormundschaftsgericht bei der Bestellung des Beistandes
dessen Rechte und Pflichten auf gewisse Arten von Angelegenheiten oder gar
auf bestimmte einzelne Angelegenheiten beschränken; hat der Vater die Be-
stellung des Beistandes vorgeschrieben, so hat das Gericht dessen Anordnungen
über den Wirkungskreis des Beistandes zu befolgen (1688).
3. Umgekehrt kann das Gericht auf Antrag der Mutter die Rechte und
Pflichten des Beistandes erweitern, indem es die Verwaltung des Kindesver-
mögens der Mutter entzieht und ganz auf den Beistand überträgt; alsdann
hat der Beistand die Rechte und Pflichten eines Pflegers (1693).
Anhang. Rüchblick auf das bisherige Recht.
g 373.
I. 1. In den meisten Rechtsgebieten — insbesondre in dem ganz Preußen
umfassenden Gebiet der preußischen Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875
— gab es, wie wir wissen, bisher keine mütterliche Gewalt (s. oben S. 675).
Die Folge war, daß ein minderjähriges eheliches Kind spätestens beim Tode
des Vaters: und nicht erst, wie es im jetzigen Recht die Regel bildet, nach
dem Tode beider Eltern unter Vormundschaft gestellt werden mußte. Die
Zahl der Vormundschaften war demgemäß nach bisherigem Recht viel größer
als nach jetzigem Recht.
2. Nach ältestem Recht gab es keine obrigkeitliche Bestellung der Vor-
münder. Vielmehr wurde der Vormund entweder von der Sippe des Mündels
gewählt, oder es trat der nächste Schwertmage des Mündels als „geborener“
Vormund auf.? Doch ist die obrigkeitliche Bestellung der Vormünder bereits
im Mittelalter aufgekommen, anfangs in Ausnahmefällen, später als allgemeine
Regel. 3 Immerhin gab es sogar noch nach der preußischen Vormundschafts-
ordnung von 1875 einzelne Fälle, in denen ein Verwandter des Mündels ohne
Mitwirkung der Obrigkeit, kraft Gesetzes, Vormund wurde: so sollten uneheliche
Kinder kraft Gesetzes unter der Vormundschaft ihres mütterlichen Großvaters
stehn.“
3. Ein Vorrecht auf Berücksichtigung bei der obrigkeitlichen Bestellung eines
1) Pr. VormOrdn. 11.
2) Hübner S. 657. 3) St.-Lehmann 4 S. 525.
4) Pr. VormOrdn. 12 II.