8 376. Letziwillige Verfügungen des Erblassers. 727
der Erblasser sich verpflichtet, eine letztwillige Verfügung zu errichten oder nicht
zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, nichtig (2302). Doch erleidet
diese Regel eine wichtige Ausnahme, sobald der Erblasser einen Erbvertrag oder
zusammen mit seinem Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Denn,
wie später zu zeigen, ist der Erblasser nur sehr beschränkt imstande, den Erb-
vertrag oder das gemeinschaftliche Testament durch letztwillige Verfügungen ab-
zuändern (s. unten §§ 388, 389). Vor allem gilt dies für den Erbvertrag: Erb-
vertrag und Freiheit letztwilliger Verfügung sind unvereinbare Gegensätze.
VI. 1. Läßt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Aus-
legungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehn, bei der die
Verfügung Erfolg haben kann (2084).
Beispiel. A. verfügt wie folgt: „meine Alleinerbin ist die städtische Klinik zu B.“,
obschon diese Klinik keine juristische Person ist und also nicht als Erbin eingesetzt werden
kann. Hier ist im Zweifel anzunehmen, daß die Stadt B. als Erbin A.s eingesetzt ist, und
zwar mit der Auflage, die Erbschaft ausschließlich für die Klinik zu verwenden.
2. Ist von mehreren in einer Urkunde getroffenen letztwilligen Verfügungen
eines Erblassers die eine unwirksam, so hat dies die Unwirksamkeit der übrigen
Verfügungen nur zur Folge, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser sie ohne
die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde (2085).
Beispiel. A. hat letztwillig die B., mit der er seit Jahren zusammen lebte, als Erbin
eingesetzt und ihr zugleich ein Vermächtnis von 1000 Mk. zugunsten ihres unehelichen
Kindes C. auferlegt; die Erbeseinsetzung ist aber unwirksam, weil A. kurz vor seinem Tode
die B. verlassen hat und diese deshalb aus Stolz die Erbschaft zurückweist; an Stelle der
B. tritt als Erbe kraft Gesetzes der einzige Verwandte A.s, sein Vetter D. Hier bleibt das
Vermächtnis zugunsten des C. gültig; C. kann also seine 1000 Mk. statt von der B. nun-
mehr von D. fordern, ohne Rücksicht darauf, ob A. sich für den Vater C.8s gehalten hat
oder nicht.
3. Ist in einer letztwilligen Verfügung eine Ergänzung vorbehalten, die
Ergänzung aber unterblieben, so ist die Verfügung trotzdem wirksam, sofern
nicht anzunehmen ist, daß der Erblasser das Gegenteil beabsichtigt hat (2086).
Beispiel. A. macht folgendes Testament: „als Alleinerbin setze ich die Stadt B. ein;
da ich indessen den Herrn Stadtvätern nicht sonderlich traue, so behalte ich mir genaue
Vorschriften über die Verwendung meines Nachlasses hiermit ausdrücklich vor“; tatsächlich
hat aber A. solche Vorschriften nicht getroffen. Hier ist die Erbeseinsetzung trotz dieser
Unterlassung des A. gültig; die Stadtväter können also mit voller Freiheit zeigen, wie sehr
begründet das Mißtrauen A.# war.
VII. Der Regel nach muß jeder Erblasser seine letztwilligen Verfügungen
getrennt für sich treffen. Unter Umständen ist aber auch die Errichtung eines
Testaments durch mehrere Erblasser gemeinsam statthaft; doch gelten für solche
Testamente manche Sonderregeln, so daß in der folgenden Darstellung einst-
weilen von ihnen abgesehn werden soll (s. unten § 389).