728 Buch VIII. Abschnitt 1. Allgemeine Grundsätze des Erbrechts.
2. Fähigkeit zur Errichtung letztwilliger Verfügungen.
§ 377.
Der Erblasser ist zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung nur im-
stande, wenn er testierfähig ist.
I. 1. Die Testierfähigkeit fehlt gänzlich:
a) geschäftsunfähigen Personen (105 10);
b) Personen, die sich im Zustande der Bewußtlosigkeit oder vorübergehen-
der Störung der Geistestätigkeit befinden (105 Il);
c) Minderjährigen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr (2229 I).
2. Nur eine negative Testierfähigkeit steht solchen Personen zu, die wegen
Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht entmündigt sind: sie sind
nämlich nicht imstande, letztwillige Verfügungen positiven Inhalts zu treffen,
können dagegen die von ihnen vormals, in der Zeit voller Testierfähigkeit, ge-
troffenen letztwilligen Verfügungen rechtswirksam widerrufen (s. 2229 III,
2253 II).
Beispiel. A. hat durch ein einfältiges Testament, das er im März errichtet hat, seine
Geistesschwäche unzweideutig bekundet; deshalb wird er im Oktober entmündigt; im De-
zember ergänzt er das Testament auf den Rat seiner Eltern durch einen ganz verständigen
Zusatz. Hier ist das Testament vom März trotz seiner Torheit so lange gültig, bis A. sich
dazu versteht, es freiwillig zu widerrufen; dagegen ist der Zusatz vom Dezember ungültig.
In den zu 2 genannten Fällen wirkt die Entmündigung zurück bis auf den Zeitpunkt,
in dem der Entmündigungsantrag gestellt ist (2229 III). Das nänmliche ist für die Ent-
mündigung wegen Geisteskrankheit anzunehmen. 1
3. Alle andern Personen sind sowohl positiv wie negativ testierfähig.
II. Trifft ein beschränkt geschäftsfähiger Erblasser eine letztwillige Ver-
fügung, so ist es unerheblich, ob sein Gewalthaber der Verfügung zustimmt
oder widerspricht: ist der Erblasser nicht testierfähig, so wird seine Verfügung
durch die Zustimmung des Gewalthabers nicht gültig; ist er testierfähig, so wird
sie durch den Widerspruch des Gewalthabers nicht ungültig (2229).
III. Die Testierfähigkeit des Erblassers muß zur Zeit der Errichtung der
letztwilligen Verfügung vorhanden gewesen sein. Es macht also nichts aus,
wenn der Erblasser die bei Errichtung der Verfügung vorhandene Testierfähig-
keit nachträglich verliert oder die bei Errichtung der Verfügung mangelnde
Testierfähigkeit nachträglich gewinnt: dort bleibt die Verfügung gültig, hier
bleibt sie ungültig. Letzteres ist auch dann anzunehmen, wenn der Erblasser
nach erlangter Testierfähigkeit die vorher errichtete Verfügung ausdrücklich be-
stätigt; „nur einer Neuerrichtung kommt Wirkung zu“.
1) Kipp S. 31. Abw. Strohal 1 S. 8566.
2) Endemann 3 §F 2528.