744 Buch VIII. Abschnitt 1. Allgemeine Grundsätze des Erbrechts.
der Erblasser sein Vermögen und damit seine dereinstige Erbschaft durch Leicht-
fertigkeit oder Ungeschick verringert.
Beispiel. Zwei Freundinnen A. und B. haben sich gegenseitig durch Erbvertrag zu
Erbinnen eingeseyt; bei Abschluß des Vertrages hatten beide ein Vermögen von 100000 Mk.;
als die A. stirbt, ist aber ihr Nachlaß gleich null, weil sie, ohne der B. auch nur eine Mit-
teilung zu machen, für ihre 100000 Mk. eine Leibrente von jährlich 8000 Mk. erworben
und alljährlich die Rente verbraucht hatte. Hier muß die B. sich in den Stand der Dinge fügen.
Siehe übrigens noch unten §8§8 433 VI, 447.
II. 1. Der Inhalt der Erbverträge ist enger begrenzt als der der letzt-
willigen Verfügungen; er kann nämlich einzig und allein auf Erbeseinsetzungen,
Vermächtnisse und Auflagen gerichtet sein, während eine Enterbung, die Be-
stellung eines Testamentsvollstreckers, die Benennung eines Vormundes usw.
nicht erbvertragsmäßig verfügt werden kann (2278 I.).
2. Als Erbe sowohl wie als Vermächtnisnehmer kann im Erbvertrage
nicht bloß die andre Vertragspartei sondern auch ein beliebiger Dritter be-
zeichnet werden (1941 II).
Beispiel. Zwei Verlobte können einen Erbvertrag dahin schließen, daß die Braut von
ihren Eltern beerbt und jedem ihrer Geschwister ein Vermächtnis zugewendet werden soll,
während der Bräutigam leer ausgeht.
3. Die Einsetzung von Erben sowie die Anordnung von Vermächtnissen
oder Auflagen kann von beiden beim Abschluß des Erbvertrages beteiligten
Parteien oder nur von einer dieser Parteien ausgehn. Ersterenfalls kommen
beide Parteien, letzterenfalls kommt nur eine Partei als Erblasser in Betracht.
III. Die Fähigkeit, einen Erbvertrag als Erblasser abzuschließen, fehlt,
wie selbstverständlich, allen Personen, die geschäftsunfähig sind oder sich im
Zustande der Bewußtlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit
befinden (105). Dagegen ist bezüglich der beschränkt geschäftsfähigen Personen
zu unterscheiden wie folgt.
1. Die Fähigkeit zum Abschluß eines Erbvertrages wird ihnen zugestanden,
wenn ihnen als Gegenpartei ihr Verlobter oder ihr Ehegatte gegenübersteht.
Doch bedürfen sie der Einwilligung ihres Gewalthabers und, wenn dieser ein
Vormund ist, auch der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (2275 II, III).
2. Die Fähigkeit zum Abschluß eines Erbvertrages mit andern Personen
ist ihnen unbedingt versagt (2275 1).
Bemerkenswert ist hier, daß die Fähigkeit zur Errichtung eines Erbvertrages teilweise
weiter bemessen ist als die Fähigkeit zur Errichtung letztwilliger Verfügungen." Ins-
besondre ist, wie wir wissen, ein entmündigter Geistesschwacher oder Verschwender zu letzt-
willigen Verfügungen schlechterdings nicht imstande, während er, wenn er verlobt oder ver-
heiratet ist, durch einen Erbvertrag mit Braut oder Ehefrau unter Mitwirkung von Vormund
und Vormundschaftsgericht jede beliebige Erbeseinsetzung vornehmen, jedes beliebige Ver-
mächtnis anordnen kann! Ja, sogar einem noch nicht sechzehnjährigen Erblasser ist der Ab-
schluß eines Erbvertrages nicht schlechthin versagt, da eine Altersgrenze für das Verlöbnis
2) Vgl. Hellwig, Verträge S. 642.