772 Buch VIII. Abschnitt 2. Die Berufung zur Erbschaft.
erben für einen andern berufen. Ja das Gesetz bestimmt sogar, daß die Ein-
setzung als Nacherbe im Zweifel zugleich stillschweigend die Einsetzung als
Ersatzerbe in sich schließe; ist es zweifelhaft, ob jemand als Ersatzerbe oder als
Nacherbe eingesetzt ist, so gilt er als Ersatzerbe (2102).
Beispiele. I. A. beruft als Vorerben den 1902 geborenen B. bis zu dessen Voll-
jährigkeit; Nacherbe soll C. sein; A. stirbt 1903: B.s Vormund schlägt die Erbschaft aus.
Hier müßte, wenn man sich lediglich an den Wortlaut des Testaments hält, C. auf seine
Nacherbschaft trotz der Ausschlagung des B. bis zum Jahre 1923 warten; bis dahin wären
also als Vorerben die gesetzlichen Erben A.s berufen. In Wirklichkeit wird aber C. sofort
Erbe, zwar nicht, wie das Testament verfügt, als Nacherbe, wohl aber als Ersatzerbe. II. Um-
gekehrter Fall: A. beruft den B. als Erben; wenn B. wegfällt, soll C. Ersatzerbe sein;
B. wird tatsächlich Erbe, stirbt aber gleich darauf und wird in Ermanglung andrer Erben
vom Fiskus beerbt; nunmehr behauptet C., daß die Erbschaft A.sS ihm gebühre. Hier ist C.
im Unrecht. Denn da B. tatsächlich auf kurze Zeit A.## Erbe geworden ist, könnte C. die
Erbschaft nicht als Ersatz-, sondern nur als Nacherbe beanspruchen. Als solcher ist er aber
nicht eingesetzt; und eine gesetzliche Regel, daß, wie die Einsetzung als Nacherbe die Ein-
setzung als Ersatzerbe, so auch umgekehrt die Einsetzung als Ersatzerbe die Einsetzung als
Nacherbe stillschweigend in sich schließe, besteht keineswegs. III. Gleicher Fall wie zu II,
nur hat A. sich unbestimmt dahin ausgedrückt, daß er den B. und „eventuell“ den C. als
Erben einsetze. Hier ist die Entscheidung die gleiche wie zu II. Denn eine unbestimmte
Einsetzung, wie die eben genannte, muß im Zweifel als Einsetzung eines Ersatz-, nicht aber
eines Nacherben verstanden werden.
3. Die bedingte und befristete Erbeseinsetzung braucht sowenig ausdrücklich
zu geschehn wie die unbedingte und unbefristete. Deshalb ist, wenn ein
Erblasser anordnet, daß sein Erbe unter einer bestimmten Bedingung oder von
einem bestimmten Zeitpunkt ab die Erbschaft einem andern „herausgeben“
solle, anzunehmen, daß jener Vorerbe, dieser Nacherbe sein solle (2103).
4. a) Ist ein Erbe unter der Bedingung eingesetzt, daß er während eines
Zeitraums von unbestimmter Dauer etwas fortgesetzt tut oder unterläßt, so
ist, wenn das Tun oder Unterlassen lediglich von seiner Willkür abhängt, die
Bedingung im Zweifel als auflösende anzusehn: der Eingesetzte wird also
sofort Erbe, verliert aber die Erbschaft, wenn er unterläßt, was er tun, oder
wenn er tut, was er unterlassen soll (2075).
b) Bezweckt die Bedingung, unter der ein Erbe eingesetzt ist, den Vorteil
eines Dritten, so gilt sie im Zweifel als eingetreten, wenn der Dritte die zum
Eintritt der Bedingung erforderliche Mitwirkung verweigert (2076).
Beispiele. I. A. setzt den B. unter der Bedingung ein, daß er nicht Jurist werde.
Hier wird B., da die Bedingung als eine auflösende gilt, sofort Erbe, auch wenn er erst
drei Jahre zählt und deshalb von Jurisprudenz ohnehin keine Rede bei ihm ist. Wird er
aber Jurist, so verliert er die Erbschaft. II. C. beruft den D. als Erben unter der Be-
dingung, daß D. sein Gärtchen an den Nachbar E. unentgeltlich abtrete; D. bietet dem E.
nach C.s Tode die Abtretung tatsächlich an, tut dies aber so herablassend, daß E. ablehnt.
Hier erwirbt D. die Erbschaft C.s trotzdem und darf das Gärtchen ruhig behalten.
IV. Als Erben können nicht bloß Menschen, sondern auch juristische Per-
sonen eingesetzt werden (s. aber unten zu V, 2).3
3) Josef, Arch. f. BR. 20 S. 229.