774 Buch VIII. Abschnitt 2. Die Berufung zur Erbschaft.
nehmigung aber erst nach des Erblassers Tode erteilt wird: hier erlangt die
Stiftung die Erbschaft mit rückwirkender Kraft vom Tode des Erblassers ab;
sie ist also nicht Nacherbin, sondern Ersterbin (2101 II, 84, 2106 I).
VI. Nicht selten spricht der Erblasser eine Erbeseinsetzung in mehrdeutiger
Art aus. Hier greift das Gesetz mit folgenden Regeln ein.
1. Hat der Erblasser den Erben in einer Weise bezeichnet, die auf mehrere
Personen paßt, und läßt sich nicht ermitteln, wer von ihnen gemeint ist, so
gelten sie sämtlich als zu gleichen Teilen eingesetzt (2073).
Beispiel. Beim Tode des geisteskranken A. wird ein Testament aufgefunden, das er
vor länger als 30 Jahren errichtet hat, kurze Zeit bevor er erkrankte; in diesem Testament
hat er, der damals in Dresden lebte, die Stadt Frankfurt zur Erbin eingesetzt; es läßt sich
schlechterdings nicht feststellen, ob er dabei an Frankfurt aO. oder an Frankfurt aM. ge-
dacht hat. Hier werden beide Städe Miterbinnen zur Hälfte.
2. Hat der Erblasser ohne nähere Bestimmung seine „gesetzlichen Erben“
berufen, so sind diejenigen eingesetzt, die zur Zeit des Erbfalls seine gesetz-
lichen Erben sein würden; ist die Einsetzung unter einer aufschiebenden Be-
dingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins gemacht und tritt die
Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall ein, so sind im Zweifel
diejenigen als eingesetzt anzusehn, die die gesetzlichen Erben sein würden,
wenn der Erblasser erst zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins
gestorben wäre (2060).
Beispiel. A. hat als Vorerben seinen Freund B., als Nacherben seine gesetzlichen
Erben mit Ausschluß seines Sohns C. berufen; er stirbt 1908, B. 1912; die einzigen
Angehörigen A.s sind außer dem C. ein 1910 geborenes Kind des C. und ein Bruder D.
Hier gilt als eingesetzter Nacherbe der nachgeborene Enkel C.
Eine analoge Regel gilt im Zweifel, wenn der Erblasser ohne nähere Bestimmung
seine „Verwandten“ oder seine „nächsten Verwandten“ als Erben eingesetzt hat. Unter den
Verwandten sind also nur diejenigen zu verstehn, die zur Zeit des Erbfalls oder des
Eintritts der Bedingung oder des Termins die gesetzlichen Erben des Erblassers sein
würden (2067).
3. Hat der Erblasser ohne nähere Bestimmung seine „Kinder“ eingesetzt,
so ist, wenn eins der Kinder zur Zeit der Einsetzung bereits verstorben war,
die Einsetzung im Zweifel auf die Nachkommen des Kindes zu beziehn, soweit
sie bei der gesetzlichen Erbfolge an des Kindes Stelle treten würden (2068).
Eine analoge Regel gilt, wenn der Erblasser einen bestimmten seiner Nach-
kommen eingesetzt hat und dieser nach der Einsetzung fortfällt; es ist also im
Zweifel anzunehmen, daß die von dem eingesetzten Nachkommen abstammenden
entfernteren Nachkommen, soweit sie bei der gesetzlichen Erbfolge an des Vor-
verstorbenen Stelle treten würden, als Ersatzerben eingesetzt sind (2069). Auf
Nachkommen andrer verwandter oder gar auf Nachkommen nicht verwandter
eingesetzter Erben ist diese Vorschrift nicht auszudehnen; ob der Erblasser sie
als Ersatzerben des eingesetzten Erben hat berufen wollen, ist demgemäß nach
den Umständen des Einzelfalls durch freie Auslegung des Testaments oder
Erbvertrages zu ermitteln.