Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

60 Buch III. Abschnitt 1. Das Sachenrecht im allgemeinen. 
a) Dem Reichsrecht am nächsten verwandt war das preußische Recht." 
Doch fehlte es nicht an Verschiedenheiten. Erwähnt sei das folgende: 
a) Für den Schaden, den ein Grundbuchbeamter schuldhaft anrichtete, 
haftete nicht der Staat statt des Beamten, sondern es war in erster Reihe 
der Beamte persönlich und erst in zweiter Reihe der Staat haftbar.? 
6) Der Eintragungszwang war in engeren Grenzen gehalten. Vor allem 
waren die Grunddienstbarkeiten nicht eintragungsbedürftig. 10 
7) Wenn der Inhaber eines Buchrechts, der über sein Recht verfügte, in 
seiner Verfügungsmacht beschränkt wurde, ehe die Verfügung ins Grundbuch 
eingetragen war, war die Verfügung unwirksam, auch wenn zu der Zeit, da 
die Beschränkung eintrat, die Eintragung der Verfügung schon beantragt war.11 
0) Zwischen Vormerkungen und Widersprüchen wurde formell nicht unter- 
schieden.7 
s) Der Bereich der grundbuchrechtlichen Fiktion war teils weiter teils 
enger begrenzt als nach Reichsrecht.!& Weiter: denn die Fiktion galt nicht 
bloß, wenn der Inhaber eines eingetragenen Rechts über dies Recht verfügte, 
sondern auch, wenn ein Dritter die Zwangsvollstreckung in das Recht betrieb. 
Enger: denn die Fiktion galt nur zugunsten entgeltlicher Verfügungen und 
versagte nicht bloß, wenn die Gegenpartei die Unrichtigkeit des Grundbuchs 
gekannt, sondern auch dann, wenn sie sie grobfahrlässig übersehn hatte. 
5) Die Regel, daß ein nicht eingetragener Eigentümer über sein Eigentum 
nicht eher verfügen durfte, als bis er seine eigne Eintragung nachgeholt hatte, 
war nicht bloß Ordnungsvorschrift, sondern war Voraussetzung für die Gültigkeit 
der Verfügung. Für den Fall der Erbfolge war eine Ausnahme nur dann 
gemacht, wenn eine Mehrheit von Erben vorhanden war. 
Die jüngsten preußischen Regeln finden sich in den Gesetzen vom 5. Mai 1872. An- 
fänglich galten diese Gesetze nur für das Landrechtsgebiet. Allmählich sind sie aber auch 
auf den übrigen Teil der Monarchie ausgedehnt, z. B. 1888 auf das Gebiet des rheinischen 
Rechts, 1895 auf Frankfurt aM., 1896 auf Lauenburg. Nur Nassau und Helgoland blieben 
ausgenommen. 
b) Noch weit größer sind die Unterschiede zwischen den übrigen bisherigen 
Landesrechten und dem neuen Reichsrecht. 1 
a) In Bayern und Württemberg war zwar die rechtsgeschäftliche Be- 
stellung von Pfandrechten und gewissen andern Rechten, nicht dagegen die 
rechtsgeschäftliche übertragung des Grundstückseigentums eintragungsbedürftig. 
Vielmehr genügte zur Grundstücksübereignung in Bayern die Besitzübergabe 
9) Preuß. Grundbuchordn. v. 1872 § 29. 
10) Preuß. Eigentumserwerbsgesetz v. 1872 § 12 Abs. 2. 
11) Die Frage war freilich streitig; s. Dernb. Pr. PrR. 2 §s 114 2. 
12) Preuß. Eigentumserwerbsges. §§ 8, 16, 22. Dernb. BR. 3 §s 50. 
13) Siehe hierüber Dernb. Pr. PrR. 1 § 202. 
14) Pr. Eigentumserwerbsges. § 5. 
15) Belege bei Roth, D. PrR. Bd. 3 und St.-Lehmann Bd. 2.
	        
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