8 402. Gesetzliche Erbfolge des bisherigen Rechts. 781
Hervorgehoben sei hier besonders das Verhältnis des
Eltern= zum Geschwistererbrecht. I. Nach preußischem und
sächsischem Recht erbten die Geschwister nur, wenn beide Eltern
tot waren („Schoßfall“ im engeren und strengeren Sinn).
II. Nach bisherigem gemeinem und französischem Recht erbten
die Geschwister auch dann, wenn beide Eltern noch am Leben "1
waren.
Im übrigen sei das Verhältnis zwischen der bisherigen r
gesetzlichen Verwandtenerbfolge und der Verwandtenerbfolge des
bürgerlichen Gesetzbuchs durch das nebenstehende Schema er-
läutert. Hier erbt nach preußischem und bisherigem gemeinem 8
Rechte A., nach französischem Rechte A. und F. je ½, nach
sächsischem Recht B., nach dem bürgerlichen Gesetzbuch B. ½, 8 2
C. und D. je ¼⅛.
3. Die Unbegrenztheit des Verwandtenerbrechts, die das bürgerliche Ge-
setzbuch verkündet, entspricht dem bisherigen preußischen, gemeinen und sächsischen
Recht. Dagegen war im Anschluß an das mittelalterliche deutsche Recht der
Verwandtenerbfolge eine Grenze im österreichischen und französischen Recht ge-
setzt: Osterreich schloß das Erbrecht mit der 6. Ordnung, Frankreich mit dem
12. Grade der Verwandtschaft ab. 12
4. a) Nach preußischem und bisherigem gemeinem Recht schlossen die voll-
bürtigen Geschwister die halbbürtigen Geschwister gänzlich aus.13
b) Nach sächsischem Recht erbten sie neben ihnen mit doppeltem Erbteil.“
I) Nach französischem Recht erbten sie einen halben Geschwistererbteil allein
und teilten die andre Hälfte mit den halbbürtigen Geschwistern nach Köpfen.15
5. a) Nach preußischem Recht wurden bei der Beerbung der Mutter durch ihre ehelichen
und unehelichen Kinder beide nicht völlig gleichgestellt; erstere erhielten vielmehr als Voraus
alles, was die Mutter von deren Vater oder deren väterlichen Vorfahren durch Vertrag
oder Erbgang erworben hatte. Zwischen den unehelichen Kindern und den mütterlichen
Verwandten mit Ausnahme der andern unehelichen Kinder der Mutter fehlte ein Erbrecht
ganz. Zwischen den unehelichen Kindern und dem Vater bestand ein Erbrecht zugunsten der
ersteren; es setzte voraus, daß noch bei Lebzeiten des Erblassers dessen Vaterschaft durch An-
erkenntnis oder Urteil festgestellt war und daß keine ehelichen Nachkommen des Erb-
lassers vorhanden waren; der Erbteil der unehelichen Kinder des nämlichen Vaters betrug
zusammen ½. 10
b) Nach französischem Recht ! bestand ein Erbrecht zwischen unehelichen Kindern und
ihrer Mutter nur, wenn die Mutter die Kinder formell anerkannt hatte; das Erbrecht der
unehelichen Kinder gegenüber der Mutter ging auf einen geringeren Erbteil als das der
ehelichen Kinder. Die gleichen Regeln galten auch für das Erbrecht zwischen unehelichen
Kindern und ihrem Vater.
I) Einige deutsche Stadtrechte, z. B. das Rostocker, versagten — dem mittelalterlichen
Recht folgend — den unehelichen Kindern ein Erbrecht gegenüber beiden Eltern.8
12) Osterr. G. 751; c. c. 755.
13) Pr. LR. II, 3 § 35; Dernb. 3 8 132.
14) Sächs. G. 2031.
15) C. c. 752.
16) Pr. L R. II, 2 58 657, 660, 652; II, 3 8§ 6; Ges. v. 24. 4. 54 § 19.
17) C. c. 756 f.
18) Roth 2 S. 3781.